St.Jean-Pied-de-Port - Leon - Wandern so lange der Urlaub reicht

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Jakobsweg

01.08.2009 Samstag
Abflug um 9:00 h in München


Ankunft planmäßig gegen 11:00 h in Toulouse wo Ulli schon auf uns wartet. Wir besorgen uns ein Schließfach haben bis 16:00 h Zeit, bis unser Zug nach Bayonne und weiter nach St. Jean Pied-de-Port geht. Dort ist ein Quartier reserviert, was aber noch telefonisch bestätigt werden muss. Wir laufen durch Toulouse und finden ein super Cafe. Ulli, ich habe Ulli kennengelernt bei einer Ausbildung zum freiwilligen Suchtkrankenhelfer in Pappenheim. Sie wohnt in Rothenburg ob der Tauber und hatte schon länger den Wunsch, einen Teil des spanischen Jakobusweges zu pilgern. Bekannte von ihr gingen ausgerechnet in einer Zeit, wo es bei Ulli nicht ging. So bat sie uns, sich anschließen zu dürfen. Nach einem Kennenlernwochenende war klar, Ulli begleitet uns von St. Jean Pied-de-Port bis Burgos. Ticket – Caos, endlich im Zug. Bei Dax eine lange Verzögerung, mit Verspätung kommen wir in Bayonne an. Der Anschlusszug ist schon weg. Wer kümmert sich um uns? Sie machen einfach den Schalter nicht auf, sicher er ist offiziell ja schon geschlossen, aber wir wollen irgendwie weiter und nicht hier Wurzeln schlagen. Auch andere Leute fragen sich wie es wohl weitergeht. Aha hinten rum, gerade noch rechtzeitig erreichen wir das Büro. Ein Taxi wird uns nach St. Jean Pied-de-Port fahren, erfahren wir bald darauf. Und wie das fährt, bzw. der Fahrer, er könnte Schuhmachers Cousin sein und dass bei nassfeuchter Fahrbahn. Obwohl ich der vorne sitze, weniger Angst habe als die drei Fahrgäste hinter mir. Ulli meinte gar er wäre betrunken. Um 21:50 h sind wir beim Quartier, auf dem Schild an der Türe steht „kompletto“, wir klingeln, erst heisst es no, dann „war nur Spass, eure reservierten Betten sind noch frei“. Was sind wir froh, man weis ja nie! Die Formalitäten erledigen, dann rauf in den 2. Stock, ein Dreibettzimmer, sofern man von Zimmer sprechen kann mit Dachluke, im Treppenhaus vor dem Raum schlafen auch noch 3 Leute. Duschen und Abendtoilette, dann heißt es schlafen.

02.08.2009 Sonntag
8 km / 614 ^ 156 / 09:00 – 14:30 / St.Jean-Pied-de-Port bis Orisson

Bla, bla beim Frühstück mit der launigen Herbergsmutter, welche schon einen besonderen Humor zu haben scheint. Aber wenn man bedenkt, Tag für Tag das Haus voller Pilger zu haben, kann man ihre Art schon etwas verstehen. Um 8:00 h verlassen wir die Herberge, wir lassen es ruhig angehen. Den Weg nach Roncesvalles über die Pyrenäen habe ich aufgeteilt auf zwei Etappen. Einmal wegen Christas Knie – wir wissen nicht wie belastbar dieses ist – zum andern wollen wir unserer Begleiterin Ulli den Einstieg etwas leichter machen. Wir erkunden wo der Pilgerweg St.Jean Pied-de-Port erreicht, gucken ins Pilgerbüro und gehen dann durch die am Morgen wie ausgestorben wirkende Rue da la Citadelle. An der Nive knipsen wir ein paar Bilder, werfen einen Blick in die gotische Kirche Notre-Dame-du-Bout-du-Pont und verlassen die Stadt schließlich über die Rue du Marechal Harispe. Gemütlich geht es mit ratschen und plaudern voran, wobei der gestrige Taxifahrer eine große Rolle spielt. Wie hätte er wohl reagiert auf Ermahnungen unsererseits? Nun es ist vorbei und wir haben alle überlebt. Ein Schäfer treibt seine Herde an uns vorbei, eine willkommene Abwechslung. Christas Knie geht es gut, Ulli`s Rucksack drückt auf den Schultern. 15 kg zeigte die Waage im Pilgerbüro an, die wir Neugierde halber testeten, das ist schon viel, besonders für eine Frau. Nach einer gemütlichen Pause mit Kaffee in Huntto erreichen wir nach weiterem Aufstieg schließlich Orisson, unser heutiges Quartier. Es ist noch früh am Nachmittag, gar nicht so einfach die Zeit zu füllen oder zu planen. „Was ist der Plan“ ist ein Leitsatz von Ulli, mit welchem Sie die nächsten Schritte, Taten und dergleichen, erfahren will. Eine Art Strukturierungshilfe, „auf was muss ich mich einstellen“? Nun heute standen noch, Kaffeetrinken mit Plausch und Ausruhen und Abendessen mit Plausch auf dem Programm. Moritz, ein junger Bursche und Zimmernachbar entpuppte sich als netter Unterhalter. International ging es beim Abendessen zu, Italiener, Franzosen, ein Holländer und zwei Kroaten waren neben uns Deutschen zu Gast. Der Abend klang mit vielerlei Gesang gemütlich aus.

03.08.2009 Montag
17 km / 815 ^ 667 / 08:15 – 14:45 / Orisson bis Roncesvalles

Gut haben wir geschlafen, mein Schnarchkonzert war nicht zu laut. Es nieselt als wir neugierig nach draussen schauen. Also gleich am ersten richtigen Tag die Regenkleidung anziehen. Aber es wird schon werden. Wie schon vor einem Jahr bedeckt der Nebel die wunderschöne Landschaft und gibt nur spärlich schöne Ausblicke her. Wir sitzen so auf unseren Rucksäcken und machen Pause. Da kommt jemand und fragt ob er von uns ein Foto machen darf, wir müssen wohl ein beeindruckendes Motiv gewesen sein. Der Holländer, er hat in Orrison im Zelt geschlafen, zieht mit einer großen Plastiktasche in der Hand an uns vorbei. Wir kommen noch einmal ins Gespräch und er erzählt uns von einer grausam kalten Nacht. „Ich dachte erfrieren zu müssen.“ Was sind wir froh reserviert zu haben. Bei der Jungfrau von Biakorri gönnen wir uns trotz Nebel die nächste Pause. Viele Pilger ziehen in dieser Zeit vorbei, einer fällt uns dabei besonders auf, groß und schlank, sicher davon gibt es mehrere. Besonders der aufrechte „geschmeidige“ Gang beeindruckte uns. Immer wieder mussten wir hingucken. Beim Weitergehen hat dann die Sonne ein Einsehen mit uns, sie vertreibt den Nebel etwas und wärmt uns auf. Auch in die wunderschöne Gegend bekommen wir immer wieder Einblicke. Der Ronaldsbrunnen wird erreicht und wenig später steht der Grenzstein nach Spanien vor uns. Das da Fotos geschossen werden ist normal, auch wir gehören zu den „normalen“. Ab jetzt führen uns große gelbe Pfeile auf blauem Grund. Christa muss unbedingt biseln, aber wo? Kein schützender Baum oder Gestein ist vorhanden. Kein Mensch in Sichtweite, etwas abseits ins Gras gesetzt, was sein muss, muss sein. Und schon kommen zwei Franzosen und gehen diskret vorbei, einer der beiden meinte; „Wo bleibt denn da die Knigge?“ Noch eine Pause, der Rucksack drückt doch sehr hart auf Ullis Schultern und Zeit haben wir genug. Was wohl der Hubschrauber sucht, der schon die ganze Zeit lärmend über, neben und auch unter uns kreist? Ist schon etwas gruselig, nachdem ja erst ein Bombenanschlag der Eta in Burgos war. Die Eta, in deren Gebiet sind wir hier im Baskenland. Später erfahren wir, der Hubschrauber hat zwei Schwedinnen gesucht, die sich verlaufen hatten. Sie sind vom Weg abgekommen - im Nebel geht das schnell -, können aber heil wieder geborgen werden. Wir drei finden nach Roncesvalles und haben noch Zeit uns einen Kaffee zu gönnen, bevor die Pilgerherberge um 16:00 h öffnet. Die Rucksäcke lassen wir schon mal anstehen. Ulli eröffnet uns überraschend, sie werde abbrechen, es wäre ihr zu anstrengend. Wir sind baff, damit haben wir nicht gerechnet. Christa teilt ihre Enttäuschung darüber, so schnell schon aufzugeben, offen mit. Dann die Idee, doch den schweren Rucksack einfach per Gepäcktransport zum nächsten Etappenziel befördern zu lassen. In der Info wird alles klar gemacht, Ulli läßt sich auf diesen Deal ein, der nächste Tag ist gerettet. Am Abend staunen wir, es gibt wie im letzten Jahr Forelle und Pommes. Egal an welchem Tag man hierher kommt, es gibt immer Forelle und Pommes, vorher Gemüsesuppe und zum Nachtisch Joghurt aus dem Becher. Auch die beiden „Kniggefranzosen“ sitzen mit uns am Tisch. Das pinkeln auf „freier Wildbahn“ hätte sie aber nicht die Bohne gestört, lachten sie über Christas Frage. Daraus entwickelte sich ein lockeres Gespräch. Wer macht was, warum und wie, wo kommt man her, wie lange hat man vor zu gehen, usw. Ein Kirchenbesuch ist in Roncesvalles fast ein muss, der Gottesdienst ist beeindruckend in diesen Gemäuern, man tankt neue Kraft und bekommt Gänsehaut bei den tollen Liedern die aus geübten Kehlen gesungen werden.

04.08.2009 Dienstag
22 km / 465 ^ 832 / 08:15 – 15:45 / Roncesvalles bis Zubiri


Früh brechen die ersten schon auf, um 7:00 h sind kaum mehr Pilger in der Herberge. Wir haben Zeit, Ullis Rucksack kann erst um 8:00 h abgegeben werden, also machen wir noch Frühstück. Die Lokale sind noch zu, also in der Herberge frühstücken. Erst wird uns das verweigert – sie müssten saubermachen – dann wird uns doch noch ein Platz angeboten, na also! Noch nicht lange sind wir unterwegs, als Ulli meint sie würde gerne Christas Rucksack tragen. Ich bin begeistert, sehe das als Entlastung für Christas Knie, ihr Gesichtsausdruck zeigt mir aber ganz was anderes, von Begeisterung keine Spur. Trotzdem gibt sie in ab, fühlt sich aber nicht wohl dabei. Über wunderschöne Wege geht es mit stetem auf und ab nach Zubiri, die rege Unterhaltung läßt uns kaum Zeit Natur und Landschaft zu genießen. Den Rucksack hat Christa bald wieder auf ihren Schultern. In einer Bar essen wir Bocatilla mit Rührei gefüllt, von den Bocatillas sollten wir noch genug bekommen. Zubiri erreichen wir über eine uralte Steinbogenbrücke, der Ort ist hoffnungslos überfüllt. Dank des Rucksacktransports konnten wir in einer privaten Herberge Betten vorbestellen. So mancher Pilger mußte zum nächsten Ort weitergehen. Wo bitteschön ist hier ein Restaurant? Nirgendwo, oder noch geschlossen. Also ab in den winzigen Lebensmittelladen und einkaufen. Bis wir gucken ist Ulli im Laden, zwei drei Handgriffe und schon hat sie für uns alle eingekauft. Damit ist Christa aber nicht einverstanden, ein kleiner Streit und der Beschluss, jeder kauft für sich selber ein. Dabei geht es nicht ums Geld, sondern um die eigene Auswahl, die eigene Entscheidung. Keine Sitzbank weit und breit, wohin mit uns? Runter zum Fluß, der Boden ist groß genug und nicht zu dreckig. Wir essen gerade unsere Raritäten, da kommt ein Mann mit Hund – oder besser eine handvoll Hund – vorbei, bindet diesen an seinen Rucksack und geht zum Fluß. Er kommt dem Ufer gefährlich nahe, er rutscht aus, es knackst und schon liegt er im Wasser. Weiter ist ihm nichts passiert, nur taucht er nun fast schon 15 Minuten herum und das mitsamt seiner Kleidung, er hat wohl was verloren. Später gehen wir Richtung Bar, da ist jetzt die Hölle los. Liveband, die Kinder sind maskiert und tragen Faschingskleidung, uns dröhnen die Ohren, hier bleiben wir nicht. Ich suche mit Christa ein ruhiges Plätzchen, Ulli bleibt noch. Im Zimmer ist es zu stickig und auch noch laut. Beim Heimweg um 22:30 h treffen wir noch ein paar deutsche Pilgerinnen, eine steckt uns, unserer Begleiterin gehe es wohl nicht gut, sie wolle abbrechen. Als um 4:00 h die Musik aufhört, fehlt uns etwas, zu sehr haben wir uns schon daran gewöhnt...

05.08.2009 Mittwoch
21 km / 417 ^ 461 / 07:45 – 15:15 / Zubiri bis Pamplona

8 Personen haben in dem kleinen Zimmer geschlafen, zudem wurden die Fenster immer wieder geschlossen. Sind wir froh dem Zimmer entfliehen zu können. Raus an die frische Luft und schon geht es uns besser. Obwohl, genau betrachtet, scheint die Luft doch etwas dicker als sonst zu sein. Ulli und Christa sprechen sich aus, ich folge im großen Abstand, will nicht zwischen die beiden geraten, will mich nicht einmischen. Nach einiger Zeit „klart es auf “, was auch gut ist. Der Weg geht weiter, nimmt sich jeder ein Stückchen zurück, funktioniert das Zusammensein auch wieder. Ich nähere mich wieder und halte Ausschau nach einem Cafe, einer Bar. Leider scheint es hier in diesen verlassenen Dörfern sowas nicht zu geben, nirgends ein Schild. Und unsere Erfahrung hat schon des öfteren gezeigt, das man nicht finden kann, was es nicht gibt. Eine halbe Stunde Umweg wollen wir nicht riskieren, so geht es ohne Kaffee weiter. Die Strecke verläuft zu unserem Glück immer auf schattigen Wegen und Pfaden, das Gehen ist ein Genuss in dieser herrlichen Natur. Das bestätigen auch zwei junge Schotten, die wie wir das Ziel Santiago haben. Lässige Burschen, Ulli freut sich, sie kennt aus einer früheren Reise ihre Herkunftsgegend und kann sich durch ihr Sprachgeschick auch gut mit ihnen unterhalten. Schon um 14:00 h sind wir an der Herberge „Paderborn“, wo Ullis Rucksack auf sie wartet, nicht aber Betten für uns drei. Alles ist schon belegt. Also weiter, über den alten Befestigungsgraben zur Altstadt von Pamplona und dann ab in ein Gebäude einer Glaubensgemeinschaft. Hier gibt es noch viele freie Betten, die in dieser großen Kirche containermäßig auf- und zusammengebaut sind. Das Gefühl hierdrinist unglaublich, viele Leute – bis zu 120 Betten - und doch fühlt man sich frei und geborgen zugleich. Pamplona, nach wie vor finden hier die sogenannten Stierläufe statt, vom 6.- 14. Juli werden Stiere 850 Meter durch die Altstadt getrieben. In dieser Zeit ist es fast unmöglich, als Pilger ein Quartier zu bekommen. Nach dem üblichen Ritual mit Betten machen, duschen usw, erkunden wir die Stadt auch mit dem Ziel ein Hotel mit Gepäcktransport zu finden, ein Transport kostet übrigends 7 Euro. Kreuz und quer rennen wir für dieses Vorhaben durch die Stadt und sehen nebenbei auch einige Lokale wo sich gut essen läßt. Wir werden bei beidem fündig, die Qual der Wahl wo wir zu Abend essen, entscheidet zuletzt noch ein nahendes Gewitter. Gerade noch rechtzeitig finden wir einen überdachten Platz, als es auch schon loswettert. Puh, gerade noch mal Glück gehabt.

06.08.2009 Donnerstag
22 km / 490 ^ 512 / 07:40 – 15:30 / Pamplona bis Obanos

Die gewaschenen Kleidungsstücke sind noch nicht trocken, zuviele davon hängen im kleinen Waschraum, wir hängen sie außen an unsere Rucksäcke. Ulli überrascht uns heute früh, sie will Ihren Rucksack nun doch tragen und nicht weiterschicken. „Wir haben heute einige Aufstiege, 25 km zu laufen und es soll sehr heiß werden“, warne ich sie. Von ihrem Vorhaben läßt sie sich dennoch nicht abbringen. Durch den gestrigen Stadtbummel finden wir heute ohne Probleme aus der Stadt, zudem ist die Beschilderung recht gut. Erst geht es flach auf einem Fußweg neben der Straße weiter und führt dann durch ein Industriegebiet. In einem Cafe stärken wir uns noch, bevor der Weg über Wald und Wiesen bergan steigt. Schon von weitem sieht man den Windpark auf dem Bergkamm. Es ist sehr heiß, einige Trinkpausen sind Pflicht, ehe wir dann den höchsten Punkt, den Alto del Perdón erreichen. Eine herrliche Aussicht lohnt für die Mühen des Aufstiegs, die eigenwilligen eisernen Pilgerkarawannenskulpturen geben diesem Ort eine zusätzliche persönliche Note. Zeit für eine Stärkung, bis uns ein sehr steiniger und steiler Weg wieder nach unten führt. Der Boden der Bar in Uterga ist voller Nußschalen, Papier und Zigarettenkippen, das ist ein gutes Zeichen. Hier verkehren viele Einheimische, also muss das Essen gut sein. Wäre eine Sünde gewesen hier keine Tappas zu essen, wir bevorzugen aber die Terrasse, in Spanien gibt es noch kein Rauchverbot in den Lokalen. Auch die beiden Schotten gönnen sich hier eine Pause und sitzen sehr lässig bei einem Bier und rauchen Zigarre. Ein Bild für Götter. Die Sonne und wohl auch das Gewicht des Rucksackes setzen Ulli sehr zu, es geht ihr gar nicht gut. In einem Bushäuschen suchen wir nach einer Lösung, aber fährt hier überhaupt ein Bus? Rein in eine Bar und gefragt, eine Frau bietet Ulli an, sie in den nächsten Ort Obanos mitzunehmen. Den Vorschlag, doch auch gleich Christas Rucksack mitzugeben, lehnt diese aber zum Unverständnis von Ulli ab. In Obanos bekommen wir eine Unterkunft, können uns die Betten noch aussuchen, da erst wenige Pilger hier sind. Kein Stau an den Duschen und den WC`s, hinterher lege ich mich nieder und muss auch bald eingenickt sein. Zu lange? Ulli meint auf dem späteren Weg zum Einkaufen, sie hätte uns beim Abendessen etwas mitzuteilen. Die Suche nach einem guten Lokal schlägt fehl, zu mager ist das Angebot der Speisen und die Lokale total verraucht, oder aber geschlossen. Also nochmal einkaufen – erst war`s ja nur die Brotzeit für morgen – und einkaufen in üblicher Manier. Wir haben alle Hunger, dementsprechend wird der Einkaufskorb auch sehr voll, wer soll das morgen wieder alles tragen... Die Herberge hat einen netten Speiseraum, hier eröffnet uns Ulli ihr Geheimnis, sie will aussteigen und hat auch schon einen fertigen Plan. Bis Logrono müsse sie noch kommen, ihre Kinder haben ihr einen Rückflug für Sonntag ab Madrid gebucht. Wir hatten sowas eigentlich schon erwartet, sind aber dennoch etwas betroffen. Was sind die Gründe für den Abbruch? Körperlich erscheint uns Ulli durchaus stark genug für diesen Weg. Sind die Etappen zu lang? Die Herbergen zu voll? Die Cafes zu wenig? Die Erwartungen nicht erfüllt? Wir mit unseren Ansichten und Weltanschauungen zu verschieden? Viele Fragen, die uns noch eine geraume Zeit beschäftigen sollten.

07.08.2009 Freitag
27 km / 589 ^ 498 / 07:00 – 15:30 / Obanos bis Estella

Die zwei älteren liebenswerten Italienerinnen, denen wir die letzten Tage immer wieder begegneten, sind schon weg. Wir beschließen vor dem Abmarsch noch zu Frühstücken und damit auch unseren Proviant etwas zu schmälern. Ullis Rucksack fährt heute wieder voraus. Die Strecke verläuft in wechselnder Natur relativ kurzweilig, obwohl die Autobahn immer wieder in Sichtweite kommt und diese auch einige Male unter- oder überquert werden muss. Eine junge  deutschsprechende Polin lernen wir kennen, ihr Gang läßt uns Hüftschmerzen vermuten. Der malerische Ort Cirauqui begeistert uns, wie hingemalt begrüßt er uns vor dem blauweissen Himmel. Plötzlich ein Freudenschrei, auf dem angenehm weichen Boden liegen vor Ullis Füßen 20 Euro. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen, den Verlierer ausfindig zu machen wird wohl nicht möglich sein. „Steck das Geld ruhig ein“ meine ich zu ihr, „bestimmt hat das irgendwas zu bedeuten, du wirst es noch brauchen“. „Ach was, ich bin halt ein Glückskind und lade euch zum Kaffee ein“, erwidert sie. Ca. eine halbe Stunde später lässt Ulli wieder einen Schrei los. „Oh nein, ich glaube ich bin in Hundescheisse getreten!“ Nun, bei genauerem hinschauen entpuppt sich die „Hundescheisse“ als ihre eigene abgelöste Schuhsohle. Ulli versteht die Welt nicht mehr, ihre guten Wanderschuhe und warum muss das ausgerechnet ihr passieren. Wie und wer soll nun bitteschön in dieser abgeschiedenen Gegend, ihre Schuhe reparieren? Relativ gelassen erinnere ich Christa an unsere Wäscheschnur, lasse davon ein Stück abschneiden und binde diese dann um Sohle und Schuh herum. Beim weitergehen meine ich dann: „Die gefundenen 20 Euro sind also für eine Schuhreparatur gedacht gewesen“. In der nächsten Bar belohnt uns Ulli mit einem wunderbaren kühlen Orangensaft. Eine SMS ist gekommen, mit einer für mich traurigen Nachricht. Im Heim wo ich arbeite, ist ein schon länger kranker Bewohner verstorben. Ich wußte zwar schon vor Urlaubsbeginn, das dieser Fall eintreffen könnte, trotzdem stimmt mich das ganze traurig. Die weitere Stunde auf dem Jakobsweg denke ich über meine Arbeit und so manche Erlebnisse mit diesem oder jenem nach, meine Begleiter gönnen mir diese Zeit der Besinnung. Der nächste Ort ist erreicht und ich glaube es kaum, die Kirchentüre steht offen, oft sind die Kirchen in Spanien verschlossen. Christa und ich gehen hinein, ich bete für den Verstorbenen und zünde eine Kerze an. Als wir die heilige Stätte verlassen, sperrt eine Frau das Gebäude ab, Zufall? Ullis Rucksack wartet in einer Integrationsherberge mit wunderbarer Atmosphäre auf uns, gerne wären wir hiergeblieben, aber sie ist „kompletto!“ Wir pilgern also weiter, hoch zum Vorort Ayeguin wo eine riesige Sporthalle zur Pilgerherberge umfunktioniert wurde. Peter ein deutscher Hospitalero freut sich, in seiner Muttersprache mit uns sprechen zu können. 7 Monate eines Jahres verbringt er hier. Er kann Ulli auch Tipps geben, wie sie am besten von Logrono aus Madrid erreicht, was diese sehr erleichtert. Stars des Abends sind drei Esel welche schon 1 ½ Jahre mit einem Ehepaar durch die Lande ziehen. Schuster gibt es hier keinen, aber einen Supermarkt der sicher einen speziellen Kleber hat, um den kaputten Schuh zu reparieren. Gesucht, gefunden und gekauft, dazu noch ein spezielles Tape, damit ja nichts mehr schiefgeht. Drei Tage muss der Schuh noch halten. Gegenüber in der sehr geräumigen Halle liegt ein junger Mann, dessen Fußsohle eine einzige mit Blut gefüllte Wasserblase ist. Dankbar nimmt er Ullis Blasenpflaster samt Verarztung an. Der Mann neben im sollte meine Schnarchkünste bei weitem übertreffen.


08.08.2009 Samstag
28 km / 536 ^ 524 / 07:40 – 16:00 / Estella über Los Arcos bis Torres del Rio

Wie schon das Abendessen, schmeckt auch das Frühstück hier im Sportrestaurante einfach lecker. Ist halt ein bisschen deutsch. Nach dem Abschied bei Peter und den drei Eseln wandern wir auf wunderbaren Wegen dem Kloster Irache entgegen. Schon von weitem ist es sichtbar am Fuße des Montejurra zu sehen. Hier soll Wein und Wasser aus einem Brunnen auf die Pilger warten. Wir bekamen nur noch Wasser, scheinbar hatten sich am Wein schon andere zur Genüge bedient. 12 km lang sollte nun keine Wasserstelle mehr kommen. Breite und einsame Feldwege führen uns durch sanft hügelige, erdbraune Landschaften, bis nach Los Arcos wo uns ein Drache entgegenkommt. Ein Spielmannszug folgt. Ist denn hier die Zeit stehen geblieben? Alle Leute ausser den Pilgern sind mittelalterlich gekleidet. Wir legen eine Pause ein, stärken uns und gucken dem munteren Treiben zu. Wir laufen weiter über schattenlose Schotterstraßen, die mich schon etwas nerven, wir sind auch etwas müde. Von hinten nähert sich ein Auto. „Das ist ja ein Googlauto“, meint Ulli begeisternd, „hurra wir sind im Fernsehen“. Unsere Schultern straffen sich, der Gang wird weich und federnd, wir wollen ja einen guten Eindruck machen. Aber es ist nicht einfach, lange so energiereich zu wandern. Das Auto fährt ewig langsam an uns vorbei und kommt erst spät wieder außer Sicht. Wir haben neuen Gesprächsstoff und unseren Spaß. Casa Mari nennt sich unsere Herberge, nicht Casa Mariandl, erfahren wir als wir einchecken wollen. Darum ist Ullis Rucksack hier auch nicht angekommen. Im 4-Bettzimmer schläft noch ein jüngerer Spanier, einige mußten in der Küche auf Turnmatten die Nacht verbringen. Es sind sehr viele Pilger unterwegs um diese Jahreszeit. Ein nahes Restaurante verwöhnt uns mit dem bisher besten Abendessen. Drei deutsche Pilger lernen wir hier kennen, darunter ein Ehepaar in Rente. Schon das 6. mal sind sie auf dem Camino unterwegs.., sie bewohnen ein Haus in Spanien. Alle sollen wir auf dem Weg immer wieder treffen. Unter viel Gelächter, mit einem Wirrwarr an Sprachen, Dolmetschen und Mißverständnissen, gelingt es Ulli später doch noch, Hotelzimmer in Logrono für den nächsten Tag zu reservieren.


09.08.2009 Sonntag

21 km / 363 ^ 456 / 08:00 – 14:15 / Torres del Rio bis Logrono

Warum wohl frühstücken die Leute auf der Terrasse die vor unserem Zimmerfenster liegt und machen dabei solchen Lärm? Jetzt, noch vor 6:00 h ? Logisch, in der Küche und auf dem Gang schlafen ja auch Pilger. Jetzt sind wir schon mal wach, darum frühstücken wir auch gleich. 21 km hat Ulli noch zu marschieren, heute ist ihr letzter Wandertag. Wird alles klappen mit dem Bustransver? Der Flughafen rechtzeitig erreicht? Diese Sorgen machen ihr schon zu schaffen. Ob sie die schöne Gegend auch so genießen kann? Die Olivenhaine, die Weinstöcke der Rioja beherrschen hier die Gegend. Schattenlos pilgern wir wieder voran, durch eine zunächst menschenleere Landschaft. Später dann, geht es auf Asphalt durch ein weniger schönes Industriegebiet. Aus 2 km werden 5 km, aber das kennen wir ja alles schon. Die Schwäbin treffen wir bei einer Kaffeepause wieder einmal. Nicht gerade eine Freundin von uns, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. Ein paar freundliche Floskeln und sie geht wieder weiter. Nicht zu lange suchen wir nach dem Hotel, der Busbahnhof wird später auch gefunden und den Weg dorfhin prägen wir uns gut ein. Der Nachmittag verläuft ruhig mit Stadtspaziergang und nochmal Kaffee. Ein Lokal für den Abend finden wir nach längerer Suche auch. Erst spät können wir bestellen. Live Musik mit Lassokunststücken garniert, von rassigen Spaniern mit riesigen Sombreros vorgetragen, vertreiben uns die Zeit. Bitte bezahlen; bei der Bestellung haben wir nicht darauf geachtet auch das Kleingedruckte auf der Speisekarte zu lesen. Gedeck, Trinkgeld, das erste mal, das wir diese Erfahrung machen. Ulli kann`s kaum glauben und fühlt sich verschauckelt. Die nette Bedienung versteht uns nicht und wir sie nicht. Christa löst die Situation auf ihre Weise, es wird bezahlt und wir gehen. Zurück im Hotelzimmer fallen wir in die Betten, haben keine Lust mehr die Sachen die rumliegen im Rucksack zu verstauen und schlafen bald ein. In einer engen Herberge wäre das nicht möglich.

10.08.2009 Montag
30 km / 473 ^ 373 / 07:15 – 16:00 / Logrono über Navarrete bis Najera


Wir verabschieden uns von Ulli, über eine Woche Wegebegleitung fährt nach Hause, wir pilgern weiter. Wie wird der Tag wohl werden? Zuerst verlassen wir Logrono auf endlosen Asphaltstraßen, die voll mit Menschen ist. Erst nach einer guten Stunde haben wir die Stadt hinter uns. Nach einem etwas steileren und langen Anstieg nehmen wir uns bei einem Staussee die Zeit für eine Trinkpause und schützen unsere Haut mit Sonnencreme. Es wird wieder ein warmer Tag, Zeit zum eincremen muss sein. Dabei beobachten wir die Menschen, ob Fußgänger oder Radler, wie sie sich über den geschafften Anstieg freuen. Auf dem Weiterweg ist ein Steg zu überqueren, welcher aber voller Leute ist. Bald erfahren wir, dass Karpfen der Grund für den „Stau“ sind. Sie werden gefüttert und drängen sich in großen Mengen an dieser Stelle. Die Hoffnung auf einen richtig schnellen Marsch heute, erfüllte sich nicht, eher das Gegenteil war der Fall. Wir hatten zwar viel Gesprächsstoff, aber so richtig in die Gänge kam Christa nicht. Ein schon im Vorfeld bekannter dynamischer Kanadier, wurde durch viele Blasen an den Füßen ausgebremst, überhaupt sehen wir heute viele Pilger mit Gehproblemen. Gegen 16.00 h schließlich erreichen wir das ganz und gar ausgebuchte Najera. „But“ heißt es bei der Nachfrage, was bedeutet ein Ausweichquartier anbieten zu können. Dieses sollte eine Squashhalle sein, welche wir bald darauf beziehen. Aber, bis 22:00 h wird noch gespielt, erst dann können wir die Matratzen ausbreiten. Uns stört dies nicht, frisch geduscht und satt vom heutigen Obstmahl, erfreuen wir uns am Spiel und spenden sogar Applaus.

11.08.2009 Dienstag
21 km / 450 ^ 282 / 08:00 – 14:00 / Najera bis Santa Domingo de la Calzade

Relativ spät kommen wir heute weg, dafür haben wir aber auch schon gefrühstückt und das ist uns viel Wert. Wir verlassen die Stadt, gehen am Kloster Santa Maria vorbei und steigen bald darauf in einem Kiefernwald steil bergan. Später wandern wir durch Weinanbau geprägte Landschaften, noch ist es bewölkt und somit angenehm zu gehen. Von Azofra weg wird die Piste dann staubig und bietet keinen Schutz mehr vor der Sonne. Ein schattiges Plätzchen bei einer Oase verschmähen wir, sie liegt etwas abseits des Weges, wir ziehen lieber weiter, wollen so bald als möglich Santa Domingo erreichen. Wieder einmal ziehen sich die öden Schotterstraßen in dieser endlosen Weite lang gezogen bergauf. Oben angekommen wartet doch tatsächlich ein Rastplatz auf uns, mit einer Wasserstelle und betonierten Liegestühlen. Mit einer entsprechenden Unterlage lässt sich hier ganz gut sitzen, genüsslich essen wir zu Mittag. Wir müssen weiter, die Hitze macht uns zu schaffen, es tut sich ein weites Tal auf, Santa Domingo ist in weiter Ferne sichtbar, so eine gute Stunde werden wir noch laufen müssen. Gleich in der ersten Herberge der Zisterzienserinnen – ein uraltes Gebäude – quartieren wir uns ein, nicht wissend, dass wenige Meter weiter eine nagelneue Herberge erbaut wurde. Ein Dreibettzimmer nennen wir unser eigen, unser Zimmergast gesellt sich bald zu uns. Schon am Rastplatz haben wir den etwas „unsicheren, globigen“ Wiener kennen gelernt. Nach dem Duschen ausruhen,der Wiener denkt sich das gleiche, legt sich rücklings auf sein Bett und beginnt zu schnarchen, dass sich die Balken biegen. Später dann machen wir uns auf, die Stadt und die Kirche zu besichtigen. Die Kathedrale ist ein berühmtes Gebäude, besonders des Hahnes und der Henne wegen, die dort in einem Käfig gehalten und alle drei Wochen ausgetauscht werden. Grund dafür ist das „Hühnerwunder“ das auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Zwei gebratene Hühner erwachten wieder zum Leben und flogen vom Teller weg. Wie viele andere Touristen auch, zückte ich meinen Fotoapparat und drückte ab, plötzlich donnert eine Stimme hinter mir; No Flash! Sofort verlor das gotische Gebäude an historischem Reiz und wir verließen es bald darauf. Was wohl Gott über seine Kirchendiener denkt? In der Altstadt finden wir ein schönes Plätzchen und genehmigen uns heute zur Abwechslung mal eine leckere Pizza mit Salat. In der Nacht sollte das Geschnarche des Wieners dann weitergehen bis wir doch mal protestierten. Der Wiener drehte sich um und vorbei war der Spuck, siehs`te, es geht doch.

12.08.2009 Mittwoch
24 km / 430 ^ 270 / 07:15 – 14:00 / Santa Domingo de la Calzada über Castildegado bis Belorado

Calzada, bedeutet gepflasterte Straße, wir finden diese unangenehm zu gehen, sie wurden aber extra für Pilger errichtet. Sehr früh sind wir heute auf diesem ungeliebten Untergrund unterwegs, wollen der Hitze am Nachmittag aus dem Weg gehen. Schon im 11. Jahrhundert ließ der heilige Santa Domingo eine Brücke über den Rio Oja bauen, welchen wir später überschreiten. Sehr monoton führen uns dann Schotterstraßen weiter, entlang an riesigen gemähten Getreidefeldern, aber auch entlang der N 120. Die Straße ist voll von Autos und Lastwagen, winken wir, hupen diese zurück, ein nettes Spiel. Uns stört dieser Verkehr überhaupt nicht, wir lenken unsere Gedanken an Personen denen wir diesen Tag widmen. Wir machen dies öfters, wenn die Landschaft mal nicht so viel hergibt, oder das Gehen mal keinen Spaß mehr macht und zur Qual wird. Das lenkt ab und wir überbrücken damit so manche Stunde. Wir lernen Stefan kennen, ein junger Deutscher der über Schmerzen am Fuß klagt. Hier in Castildegado findet er einen Arzt, der sein Bein salbt und fest bandagiert. „Das Schienbein schmerzt“ erzählt er und auch dass er vor einigen Tagen über 40 km gelaufen sei. Ähnliche Geschichten sollten wir auf unserem Weg noch mehrere hören. Kurz bevor wir nach Belorado kommen, steht rechterhand eine große, relativ neue Herberge mit Pool. Hier schon einchecken? Die Entscheidung fällt uns nicht schwer, noch dazu kommen 7 – 8 Pilger aus dem Dorf hierher. Ob dort schon alles voll ist? Wir nehmen ein 8 Bettzimmer, ein schon bekanntes portugisisches Pärchen mit Tochter, schläft auch hier. Duschen, dann ein Eis, dann einen Kaffee, man geht es uns gut. Einkauf im Dorf, wir treffen die Schotten wieder, dazu 2 junge Deutsche und die Polin. Wie schon in Najera nisten auch hier auf dem Kirchturm Störche. Schön diese langbeinigen Tiere zu beobachten. Pollo, suche ich mir heute aus dem Menüangebot aus, es schmeckt gut, ein Beamer wirft schöne Pilgerbilder auf die Leinwand. Gut dass wir immer ein WC – Papier mit dabei haben. Weder bei den Damen noch bei den Herren auch nur eine kleine Rolle, nicht einmal als wir die Herberge in der Früh verlassen. Dafür aber hat sich ein Pilger wohl etwas übernommen, Alkohol? Zumindest deutet die Kotze auf einen solchen Ausrutscher.

13.08.2008 Donnerstag

25 km / 517 ^ 299 / 07:15 – 14:45 / Belorado über Villafranca – Montes de Oca bis San Juan de Ortega

Schon früh stehen wir auf und packen unsere Sachen, frühstücken und machen uns bei der Morgendämmerung auf den Weg. Auch in den Toiletten der Gaststätte ist kein WC-Papier zu finden, dieses finden wir dann gerade zur rechten Zeit an einer Tankstelle. Wir überqueren den Rio Tiròn und wandern auf einem angenehmen grasigen Feldweg nach Tosantos. Beim schönen Rastplatz mit Brunnen bettelt uns ein netter Terrier mit verbogenem Ohr und schmachtendem Blick an, doch etwas von unserer Brotzeit abzugeben. Faszinierend ist die Sicht beim Weiterweg auf die in Felsen gebaute Ermita Virgen de la Pena. Eine Staubpiste führt uns dann zur N 120 auf welcher wir Villafranca erreichen. Dieser Ort leidet sehr an den Abgasen und dem Straßenlärm. Wir sind froh, bald auf wunderschönem Steig durch einen mit Flechten bewachsenen Eichenwald wieder in wildromatische Natur zu gelangen. 12 km lang ist kein Haus mehr zu sehen. Bei einem steilen Abstieg auf einer Schotterpiste sehen wir, wie eine Pilgerin rückwärts geht. Sie hält sich an den Stöcken fest, die ihr die Partnerin reicht. „Sie hätte sehr großen Muskelkater“ beantwortet sie unsere neugierige Frage. Idee`n muss man haben. Nach einer guten Stunde bei ca. 38 Grad über rote Erde und durch einen Kiefernforst, sehen wir eingebettet in einer Freifläche die Abtei San Juan de Ortega liegen. Neben der Kirche mit dem Grab des Heiligen befindet sich unsere heutige einfache Pilgerherberge mit 100 Betten. Obwohl es noch am frühen Nachmittag ist, sind doch schon gut die Hälfte der Betten belegt. Wir freuen uns, bekannte Gesichter zu sehen, immer wieder trifft man sich und wird immer vertrauter miteinander, gerade dass macht auch den Jakobsweg aus. „Unsere Begleiterin ist in Logrono ausgestiegen“, beantworten wir neugierige Fragen nach Ulli. Und: „Ist wohl nicht ganz so einfach mit ihr gewesen“. Ja, ja, manche erfahrene Pilger haben schon ein Gespür für Spannungen und Befindlichkeiten. Wir liegen noch etwas in der Wiese, suchen später ein Lokal und sitzen dann mit der Französin Sylvi beim leckeren und preiswerten Abendessen.

14.08.2009 Freitag
28 km / 202 ^ 328 / 07:00 – 15:00 / San Juan de Ortega bis Burgos


Etwas Nebel und die aufsteigende Morgensonne bieten malerische Bilder, wir sind gut gelaunt, trotz einiger „Schnarcher“ haben wir gut geschlafen. In Atapuerca, welches wir nach ca. 1 ½ Stunden erreichen, finden wir durch den Tipp des „Fotografenpilgers“ - den Namen haben wir leider vergessen -, ein Cafe, in dessen Garten wir bei strahlender Morgensonne ausgiebig frühstücken. Wieder führt der mit Felsplatten durchwachsene Weg auf einen Höhenzug, kleine Eichenwäldchen spenden etwas Schatten. Mystische Steinkreise befinden sich neben dem Holzkreuz beim Aussichtspunkt Matagrande (1018 m). In der Ferne ist Burgos, oder zumindest etwas von der Vorstadt zu sehen. Es sind noch ca. 5 Stunden zu gehen, bis wir die Stadt erreichen. Die letzten davon werden zur Qual, obwohl wir das Industriegebiet meiden und somit einen Alternativweg wählen. Das Stück am Zaun des Flughafens entlang bei sengender Sonne ohne jeglichen Schatten, setzt uns sehr zu. Irgendwie gehen wir wohl auch einer falschen Markierung nach, wir stehen plötzlich mitten in den Slams, von hinsetzen und Pause machen, keine Spur. Zu verdreckt, heiss und unappetitlich ist es hier. Endlich in der Stadt - früherer Sitz der Könige von Kastillien und Leon -, wir schleppen uns zu einer Parkbank, beide brauchen wir dringend eine Pause. Essen und Trinken stärkt auch die Seele, jetzt noch ein Quartier finden, hoffentlich ist nicht schon alles voll! Die „richtigen“ Wegweiser sind wieder da, ein gutes Zeichen. Bald bewegen wir uns in der Altstadt, sehen ein Schild „Pilgerhotel“, wir gucken uns kurz an, ein Nicken und gebucht. Das ging aber schnell. Relaxen, der Tag ist noch jung, dann auf zur Kathedrale und dabei Aussicht nach einem Lokal halten. Ein Gottesdienst scheint in dieser mächtigen Kathedrale gerade zu beginnen, wir setzen uns auf Steinstufen, viele Leute kommen mit Klappstühlen. Plötzlich beginnt der Chor direkt hinter uns zu singen, Schauer laufen uns, ob dieser reinen und klaren Stimmen über den Rücken. Gigantisch, dies in diesen Räumen zu erleben. Es ist der Tag vor Maria Himmelfahrt erfahren wir bald darauf, die hl. Gottesmutter Maria wird in einer Prozession durch Burgos getragen und wir beide sind mittendrin. Den Gesang und die Stimmen werden wir nicht so schnell vergessen, ein gelungener Ausklang nach den Strapazen des Tages. Gegen 20:00 h wird zu Abend gegessen, die Straßen werden immer voller, das Treiben nimmt zu, die Stadt pulsiert. Wir aber wollen morgen weiter, die Meseta wartet und gehen somit zeitig ins Bett.


15.08.2009 Samstag
26 km / 307 ^ 268 / 08:00 – 16:00 / Burgos über Hornillos del Camino bis San Bol

Es ist schon ein Unterschied ob man ein Doppelzimmer belegt oder sich mit vielen anderen Personen einen großen Raum teilt. Der Schlafgenuss ist ungleich besser. Trotzdem, oder vielleicht auch deshalb - es steht keiner schon um fünf Uhr auf - , kommen wir erst spät aus den Federn. An der Kathedrale vorbei, hinunter zum Fluss Rio Arlanzon, dann an den Herbergen vorbei und unter der Eisenbahn hindurch, verlassen wir Burgos und sind gespannt auf die Meseta. Sehr bald schon brennt die Sonne auf uns hernieder, es gibt so gut wie keinen Schatten auf dem Weg, der staubig ist und sehr breit angelegt. Ständige Schotterstraßen nerven uns, wir denken zurück an Frankreich und sehnen uns nach schattigen, schmalen, von Gras umwachsenen Wegen. Steppenartig ist die Gegend, hat aber trotz allem auch seinen Reiz. Man sieht weit voraus, der Weg will schier kein Ende nehmen. Die Schwäbin haben wir wieder getroffen, sie ist schneller unterwegs als wir, zu mehr als einem kleinen Schwätzchen nimmt sie sich keine Zeit. Ob wir sie wieder sehen? Ewig pilgern wir auf einer Hochfläche dahin, bis sich plötzlich der Blick ins nächste Tal auf Hornillos del Camino öffnet. Nach einer Stärkung wartet schon die nächste Hochfläche. Ein kleiner Bachverlauf sorgt schließlich für eine kleine Oase inmitten der kargen Landschaft. San Bol, etwas abseits gelegen, 12 Plätze, eine Quelle, kein Strom, keine sanitären Anlagen, hoffentlich sind noch Betten frei. Christa ist schon ziemlich geschafft, ich eile voraus und erkunde die Lage. Teilnahme am Abendessen und Frühstück ist Pflicht, erfahre ich hier, 3 Betten sind noch frei, da andere Pilger scheinbar komfortabler wohnen möchten und wieder weiterziehen. Das Quellwasser wird in einem gemauerten Bassein aufgefangen und obwohl sehr frisch, lädt es mich zu einem Bade ein. Brrrr aber ungemein erfrischend. Dann sehe ich der 26 jährigen Schweizerin Nadja zu, wie sie sich anmacht ins kalte Wasser zu gleiten. Unglaublich ihre Gesichtszüge und leuchtenden Augen, es „geschafft“ zu haben, dieser Stolz, diese Freude. Erst in Santiago sollte ich die Gelegenheit haben, ihr meine Beobachtung zu schildern. Dabei fällt sie mir voller Freude über meine Worte um den Hals und meint, ohne mein Vorbild hätte sie das nicht geschafft. Alle werden eingespannt, das Abendessen zu bereiten. Paella, ein typisches spanisches Reisgericht. Dazu schälen und schneiden wir Zwiebeln, Knoblauchzehen, öffnen Dosen mit Garnelen, Scampis, Fisch und noch alles mögliche. Alles bruzzelt dann in einer riesigen Pfanne auf dem Gaskocher. Ein kleines Gewitter zauberte einen Regen- bogen und verzog sich gerade rechtzeitig, um doch noch draussen essen zu können. Mann schmeckte das gut! Später eine Überraschung, die Herbergsmutter zieht aus einer Art Feuerzangenbowle mit ihren Schöpfern Flammen bis hoch zur Decke und singt dabei mystische Lieder mit einer Wahnsinnsstimme. Dieser super Abend sollte noch ausklingen mit Gitarrenmusik und Gesang in vielen internationalen Sprachen. Wieder einmal erleben wir, ist der Tag nicht so gut - Schmerzen, Hitze oder so -, sorgt ein toller Abend für den Ausgleich.

16.08.2009 Sonntag
25 km / 296 ^ 388 / 08:30 – 15:00 / San Bol über Castrojeriz bis Itero de la Vega

Frühstück auf der Terasse, Stefan der junge Pilger zaubert doch glatt ein Glas mit Nutella hervor, auch ein Marmeladenglas schleppt er mit, kein Wunder dass sein Rucksack 14 kg schwer ist. Die gute Stimmung die beim Ratsch mit den anderen entsteht, verliert sich auf dem Weg leider wieder. Es sind heute Massen an Pilgern unterwegs, bei diesen geraden Wegen hat man freie Sicht. Eine Pilgerin glauben wir weinend am Wegrande sitzen zu sehen, sie versteckt ihre Tränen, will vermutlich alleine sein. Pilgert man ohne Begleitung, fühlt man sich sicherlich immer wieder einsam, auch wenn viele Leute unterwegs sind. Geht man wie wir als Paar kann man sich austauschen, aber auch schweigen und seinen Gedanken hinterher hängen. Es ist schön jemanden neben sich zu haben solange die Geschwindigkeit passt. Muss ich aber sehr langsam gehen – nach meinem Gefühl -, so kann das auch sehr frustrierend sein und so fühle ich heute. Singen oder Summen auf dem Weg kann sehr schön sein, es beschwingt etwas, leider gehen mir immer wieder die Texte aus. Plötzlich tut sich wieder ein tiefer Einschnitt in der Meseta auf, Hontanos ist erreicht, die Kirchturmspitze konnte man vorher nur erahnen. Am Ortsrand wird eine kleine Trinkpause eingelegt und Sonnenschutz aufgetragen, dann gehen wir in Begleitung von Stefan weiter. Dieser erzählt er müsse nun Gas geben, in 4 Tagen wartet seine Freundin in Leon auf ihn, sein Fuß wäre mitlerweile wieder gut, so dass er es in dieser Zeit schaffen könne. Über San Anton führt eine Teerstraße schließlich nach Castrojeriz, Zeit zum Mittagessen. Florian schließt sich uns an, er kennt Stefan schon länger, somit laufen wir zu viert bei dieser Hitze in toller Landschaft weiter. Der Weg steigt relativ steil wieder an, führt bretteleben dahin, mit schönen Blicken zurück auf Castrojeriz und die Tafelberge gegenüber, um dann wieder steil abzufallen. Wir sind froh Gesellschaft zu haben, dies lenkt ab vom mühsamen vorwärtskommen. Endlich ein Brunnen, wir schöpfen Wasser, auch wenn einige Pilger davor gewarnt haben. Aber solange Einheimische hiervon trinken, tun wir das auch, dabei ziehen die schon bekannten Portugiesen wieder an uns vorbei. Die Brücke über den Rio Pisuerga wird überschritten, dann sind wir auch schon in Itero de la Vega. 15:00 h aber es reicht uns, nur Stefan geht noch weiter. In der Gite kommunal, nicht gerade üppig eingerichtet, schlafen mit uns dreien, noch Nadja und ein weiterer deutscher Pilger. Dieser sägt in der Nacht alle Betten ab, kurzerhand packen Christa und ich ein paar Matratzen und legen uns in den Innenhof. Herrlich bei diesem Wetter, aber plötzlich tröpfelt es, gerade noch rechtzeitig ziehen wir wieder um. Bald darauf setzt auch das Geschnarche wieder ein, als hätte er nur auf uns gewartet! Das Abendbrot bestand überwiegend aus Obst, eingenommen auf einer Bank im Park, mit Kirchturm- und damit auch Storchenblick.

17.08.2009 Montag
28 km / 166 ^ 116 / 07:00 – 16:00 / Itero de la Vega über Fromista bis Villalcazar de Sirga

Ein paar Bissen gegessen und schon sind wir wieder unterwegs, bei unruhigen Nächten ist man froh das sie vorbei sind. 2 Std. laufen wir über einen breiten Feldweg nach Boadilla del Camino, wo in einer super Anlage ein günstiges und durchaus ansprechendes Frühstück angeboten wird. Florian ist sprachgewandt, unterhält sich mit Franzosen und Spaniern, da werd ich schon etwas neidisch. Auf einem alten Treidelweg gelangen wir schließlich nach Fromista. Beim Wehr vor dem Ortseingang meint eine Pilgerin einen Brunnen zu sehen und ist schockiert, nur einen normalen großen Stein vor sich zu haben. Überaus dankbar nimmt sie unsere gebotenen Getränke an. Es gibt immer wieder unvernünftige Menschen, die einfach zu wenig zum trinken mitnehmen, nur um Ballast zu sparen. Einkaufen in Fromista, den Proviant wieder auffüllen, es warten lange schattenlose Wege. Mal durch Felder etwas abseits der Straße, dann wieder neben der Straße. Dreieinhalb Stunden lang sollten wir so eintönig vor uns hintrotten. Die Motivation von Florian den Pilgerweg zu gehen, bezeichnete er als „mein Leben zu ordnen“. Wie Stefan hegte auch er den Wunsch, ab Leon mit seiner Partnerin weiterzugehen, ob dieser erfüllt wurde, konnten wir bisher leider noch nicht in Erfahrung bringen. Sehr nett werden wir vom gesprächigen Herbergsvater in Villalcazar empfangen. Diese Herberge sollte sehr voll werden, wir sind heute sehr erschöpft, die Hitze. Kraft für einen Kirchgang haben wir aber allemal, 17 Tage schon unterweg ohne größere Beschwerden, da darf man schon Danke sagen. Ein feines Pilgermenü nehmen wir zusammen mit einem deutschen jungen Pärchen ein. Diese schwärmen uns von ihren bisherigen Erlebnissen und Eindrücken vor.

18.08.2009 Dienstag
24 km / 82 ^ 35 / 07:00 – 15:00 / Villalcazar de Sirga bis Calzadilla de la Cueza

Hornhautblasen sind links und rechts an meinen Fersen zu spüren, auch Christa plagt eine. Vorsorglich werden diese gleich mit Complet versorgt, „bevor es schlimmer wird“. Endlos lang, eben und schattenlos sind die Wege heute wieder. Eine graue Wolke am Himmel, welch eine Wohltat, es regnet doch tatsächlich ca. 10 Min. Die offene Kirchentür macht uns neugierig, einen kurzen Blick wollen wir nur hineinwerfen, nicht zu viel Zeit verlieren. Aber, der Pfarrer nimmt Christa am Ärmel und zieht sie freudig in sein Gotteshaus, die Spanier sind sehr stolz auf ihre Kirchen. Dann nehmen wir eben doch am beginnenden Gottesdienst teil. Jakobus wird es sich wohl so gewünscht haben. Schotterstraßen über Schotterstraßen, die Fußsohlen brennen und es sollte noch lange so weitergehen. Anfängliche Gespräche sind verstummt, jeder hängt seinen Gedanken nach. Gedanken an Bekannte, Freunde, die Kinder, die Eltern, die Arbeit? Sicherlich auch, aber es belastet nicht, sechs Wochen am Stück habe ich Urlaub, danke liebe Kolleginnen und Kollegen, das ich so lange wegbleiben kann. Keine Zeitung, kein Radio, kein Fernseher, keine Medien die uns volldröhnen und weismachen wollen, wie wichtig ihre Produkte sind. Hier auf dem Jakobsweg kann die Seele zur Ruhe kommen, kann sie sich begeistern an der Natur, am einfachen Dasein. Mitten in der Pampa ein Rastplatz mit kühlen Getränken und leckeren Bocadillas, wer da vorbei geht ist selber schuld. Noch 9 km zur nächsten Herberge steht mitten auf der Straße, das erfreut. Eine Herberge mit Pool ist an diesem heißen Tag gerade richtig, das Ziel für heute war gut gewählt. Unter den anderen 90 Pilgern befindet sich auch unser deutscher „Schnarchfreund“, der schon lange, lange vor uns hier war wie er betonte. Ja manche sind eben schnellere, bessere, klügere, härtere und sonstwas Pilger, als andere. Sollen sie ruhig, wenn es ihrem Ego gut tut?

19.08.2009 Mittwoch
27 km / 262 ^ 292 / 07:15 – 16:00 / Calzadilla de la Cueza über Sahagun bis Calzada del Coto


Auch Trekkingsandalen gehören zu unserer Ausrüstung. Heute haben meine ihre Premiere, zumindest zum Pilgern, am Abend werden sie natürlich den Wanderschuhen vorgezogen. Die Blasen sollen sich erholen können. Diese dadurch etwas andere Gehweise – die Fersen liegen tiefer -, belastet die Waden mehr, mußte ich feststellen und immer wieder quälten mich kleine Steinchen. Der Weg führt heute durch sanfte Hügellandschaften. Auffallend hier sind die vielen Lehmbauten mit einem satten Ockerton, der herrlich harmoniert mit den Farben der Landschaft und dem strahlend blauen Himmel. Zwischenzeitlich geht es heute flott voran, so pilgern wir noch über unser ursprüngliches Ziel Sahagun hinaus, nach Calzada del Coto. In Sahagun stören Lagerhallen und Fabriken, die Pilgerherberge in der ehemaligen Kirche La Trinidad ist aber vom feinsten. Hier treffen wir wieder auf Helmut mit seiner Frau – sechsmaliger Spanienpilger – und auf den „Fotografenpilger“. Letzterer war ein paar Tage etwas krank und somit waren uns diese drei nicht schon weit voraus, wie wir vermutet hatten. Unsere Herberge entpuppte sich als alte Absteige, im Ort war aber nichts anderes mehr zu finden. Aber es war geräumig, 24 Betten für 8 Personen. Obsttag; neben Bananen, Pflaumen und Äpfeln schleppten wir auch eine Melone mit nach Hause, mh, fein. Florian, unser treuer Begleiter verabschiedete sich, ihn zog es noch weiter, 8 zusätzliche Kilometer zum nächsten Quartier. Wir sollten ihm nicht mehr sehen. Bald liegen wir im Bett, die morgige Etappe wollen wir früh angehen, wir wählen eine lange schattenlose Variante durch endlose Weiten ohne menschlichen Siedlungen und Einkehr, um dem Straßenverkehr auszuweichen.


20.08.2009 Donnerstag
27 km / 200 ^ 206 / 07:10 – 15:00 / Calzada del Coto bis Reliegos

Aufstehen um 06:15 h, es ist noch stockdunkel. Morgentoilette dann Frühstück. Ein Franzose ist auch schon aufgestanden, kramt hier rum und da rum, sagt uns irgendetwas was wir nicht richtig verstehen. „Ja wir gehen auch die Variante“ erwidern wir. Er ist startklar, geht aber nicht los, irgendwie merkwürdig. Es dämmert, wir brechen auf und mit uns auch der Franzose. Er hatte also auf uns gewartet, im Gespräch mit Händen und Füßen erzählt er von einem Handicap an den Beinen und dass er diese abgeschiedene Strecke nicht alleine gehen wolle. Wir treffen auf diesem Weg tatsächlich nur noch eine Person, ebenfalls eine Französin, die mir etwas sehr aufgedreht vorkommt. Aber egal, unser netter Begleiter hat jemanden zum schwätzen in dieser Einsamkeit. Nach knapp 2 Stunden eine gemütliche Einkehr, die einzige bis zum Endziel des heutigen Tages welches sich noch 18 km zieht. Wir gehen und gehen, sehen weit, weit voraus, endlich kommt in das rotbraun der Erde und dem fahlen gelb der abgemähten Getreidefelder etwas Farbe, in der Ferne leuchten die blauen Berge. Ein Bach wird überquert, hier ist sattes Grün zu sehen, unsere Augen freuen sich über diese fast üppige Vegatation. Ein größerer Schuppen spendet gerade noch etwas Schatten für uns. Die Sonne steht noch nicht direkt über ihm. Ein Wegweiser, also rechts runter, oder liegt Reliegos nicht doch gleich hinter diesem Hügel? Egal, irgendwo müssen wir ja gehen, also rechts runter. Weiter unten ist dann linker Hand ein Ort zu sehen, mein Gefühl sagt mir, das muss es sein, Christa zweifelt, sie ist zudem schon ganz schön kaputt. In der Ferne vor uns schimmert auch ein Städtchen herüber, liegt Reliegos noch so weit und ist das jetzt ein Umweg? Nein, auf meinen Bauch kann ich mich verlassen, auch wenn immer wiedermal kleine Zweifel aufkommen. Kein Schild führt uns, wir tasten uns förmlich durch die engen Gassen dieses noch immer unbekannten Ortes. Ein Jakobsschild war ja ab dieser Abzweigung auch nicht mehr zu sehen, endlich, da vorne ist wieder eines und die Pilgerherberge ist auch bald gefunden. Zwei größere Schlafräume mit optimaler Raumausnutzung. Enger kann man die Stockbetten sicher nicht mehr stellen. Siehe da, der Portugiese mit Fußproblemen ist wieder da, aber alleine. Beim Abendessen lernen wir Resi und Sepp aus dem Altmühltal kennen, sie sind in Burgos eingestiegen und erwarten in Leon Zuwachs von einer Freundin. Was für eine Nacht, vor 5 Uhr stehen schon einige auf. Gut, manche Personen hört man kaum wie sie verschwinden, aber unsere Bettnachbarn. Sie haben sich sicherlich bemüht leise zu sein, aber diese beiden kramten beim Austehen, nach dem Toilettengang und nach dem Frühstücken. Als sie nach 6 Uhr endlich die Herberge verlassen, sind auch wir wach genug um aufzustehen


21.08.2009 Freitag
25 km / 223 ^ 260 / 06:30 – 14:00 / Reliegos bis Leon


Die Rucksäcke schnell in die Küche, den Schlafsack auch, kurze Morgentoilette und dann gehen wir das erstemal bei Dunkelheit los. Es ist noch ganz schön frisch, Stirnband und Handschuhe sind willkommen. Der Weg führt an der Hauptstraße entlang, er ist also nicht zu verfehlen. Autos fahren auch nur ganz wenige. Nach einer Stunde haben wir Mansilla de las Mulas erreicht, dieser Ort war früher eine reiche Handelsstadtmit fünf Kirchen, drei Hospitalen und vielen Herbergen. Ein Cafe hatte schon auf, rein mit uns. Dann wechseln sich Teerstraßen, Querungen der N 120, Feldwege und wieder Teerstraßen ab. Auch der Verkehr nimmt ständig zu. Plötzlich ist Leon zu sehen, man glaubt es kaum, auf einer rotgelben Piste stehend,diese große Stadt zu sehen. Den Weg hinein haben wir als gut beschildert empfunden, aber er zieht sich und zehrt sehr an den Kräften, die heute durch die kurze Nachtruhe schon etwas lediert waren. Das Knie von Christa, das bisher so großartig gehalten hat, schmerzt heute sehr. Kurzzeitig kam sogar die Idee auf, mit dem Bus nach Leon einzufahren, aber zum gegebenen Zeitpunkt ist leider, oder Gott sei Dank, kein Bus gekommen. Quartiersuche; etwas genervt und geschafft wie wir waren, suchen wir ein Hotel, finden aber keines und quartieren uns kurzerhand in einer Pension ein, an einem ruhigen Platz wie wir dachten. Altes Zimmer, sehr geräumig, zwar Etagendusche, im Zentrum einer Großstadt nicht teuer und noch mit Balkon. Duschen, etwas ausruhen, dann auf zur Kathedrale. Auch ein wahnsinniges Gebäude, auch wenn Burgos noch pompöser war. Ich brauche unbedingt Filme, meine gehen zur Neige, nur noch ein paar Bilder. Einmal laufen wir um einen Block, nichts, ich sage Christa sie soll doch bei einem Cafe rasten, nein will sie nicht. So habe ich sie also auch bei der nächsten Runde im Schlepptau und komme nicht vorwärts. Mann war ich geladen, zudem steht die Sonne tief, blendet, die vielen Leute und so weiter. Endlich ein Laden, zwar nur 4oo er Filme, aber besser als gar nichts, gleich sechs Stück gekauft, mehr hatten sie auch nicht. Auch Ansichtskarten kaufen wir, es wird Zeit einigen Bekannten zu schreiben. Einkauf von Lebensmitteln, Abendessen, dann zurück ins Zimmer. Schlafen? Es wird immer lauter, die Menschen werden immer mehr, klar in Spanien beginnt das Leben erst ab 21:00 h. Gegen 24:00 Uhr plötzlich Gescheppere, Pavillions werden aufgebaut, Gegröhle dann bis ca. 4 h, Ruhe bis um 5 Uhr, dann kamen die Kehrmaschinen und anschließend wurden die Marktstände aufgebaut. Die nächste Nacht mit sehr wenig Schlaf.

 
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