Colico - Airolo/ am Fuß des Gotthardpasses - Wandern so lange der Urlaub reicht

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

2017/18 GTA/ Grande Traversata delle Alpi und TurAlpZin

25   Fr 28.07.17      Bahnhof    - Colico

Es ist wieder einmal soweit, Packerei und Planungen sind endlich erledigt, wir steigen ins Auto, Adrian fährt uns zum Bahnhof nach Rosenheim. Nicht vergessen! Christa ist noch in Attel bei ihrer Arbeitsstelle abzuholen. Pünktlich steht sie nach Schulschluss bereit. Wir wollen keinen Tag versäumen, eine lange Strecke liegt vor uns….

Um 12:14 fährt der Zug ohne umzusteigen, durch bis Verona. Uns gegenüber sitzt ein älteres Paar. Sie ist vor 30 Jahren in die USA ausgewandert, lebt drüben und gibt dort Deutschunterricht. Ihr Mann spricht leider kein deutsch, so verflacht die Unterhaltung bald. Im Laufe der Stunden ist zu erkennen, die Frau ist doch sehr gebrechlich und kann sich nur wenig konzentrieren. Das Ziel der beiden ist Venedig.

In Verona kaufen wir die Fahrkarten für die Weiterfahrt, das war an unserem Bahnhof nicht möglich. Eine halbe Stunde haben wir dazu zur Verfügung, das reicht auch noch für diverse Einkäufe. Gut das wir wieder reservierte Sitzplätze haben, der Zug ist rappelvoll. In Milano noch mal umsteigen, ich habe Hunger und stelle mich bei einem Imbiss an. Die Zeit drängt, ich werde schon unruhig, das wird knapp. Schnell bezahlt und ab zum Zug. Da werde ich zurückgerufen und muss beim „rechten“ Durchgang mein Ticket herzeigen, das aber hat Christa. Ich zeige aufgeregt nach vorne zum Bahnsteig, Christa wartet schon und winkt zurück, dann darf ich gottlob durchgelassen. Rein in den ersten Wagen und unsere Plätze gesucht, mit 10 Minuten Verspätung fährt der Zug dann ab. Die ganze Hektik hätte also nicht sein müssen.

In Colico kommen wir planmäßig an und laufen die 1,5 Kilometer zum Hotel. Niemand da, wir läuten, es kommt aber niemand. Auf dem Tresen liegt ein Schlüssel (Nr:111) und ein Zettel mit einem Namen darauf, in italienischer Handschrift. Für uns? Ich gehe mit dem Schlüssel nach oben, das Zimmer ist leer. Zurück zu Christa, da kommt auch die Hausdame. Zimmer Nr:105 ist für uns reserviert, das ist genauso spartanisch eingerichtet wie Nr:111, aber sauber. Es ist bald 22:00 Uhr, ab ins Bett.


26   Sa 29.07.17  Colico   - Garzeno      10,4 km 488 ^ 73      4:30Std.          

Frühstück um 07:30 Uhr, nette Wirtin, das Angebot reichlich. Wir setzen mit dem Schiff nach Domaso über, Abfahrt um 09:28 Uhr, das ist leicht zu schaffen, brauchen bis zum Steg gerade mal 20 Minuten. Die Fahrkarten gibt es in einer kleinen Kabine. Kaum haben wir unsere Karten, kommen immer mehr Leute, es bildet sich eine kleine Schlange. Doch gut dass wir so früh dran waren.

Wir nützen die Zeit und bummeln durch die Marktstände und lichten uns in einem großen Spiegel bei einem Antiquitätenhändler ab.


Das Wetter ist geradezu ideal für die gemütliche Schifffahrt über den Comersee. Etwas trübe zwar die Berge, aber auch dieses blaugrau in den verschiedenen Schattierungen hat einen gewissen Reiz. Drüben angelegt schalte ich die technischen Geräte (Navigation) ein, jetzt kann es losgehen. Bewusst laufen wir erst mal am Ufer des See`s entlang bis Gravedona, das Schiff hätte auch hier angelegt. Im Ort dann müssen wir auf Straßen ohne Fußweg gehen, die Häuser sind malerisch schön, die Autos aber nerven. Endlich zweigt ein Steig ab, welcher steil hoch führt und sich durch verwinkelte Gassen windet. Kurz davor spricht uns ein Mann an, neugierig geworden durch unsere Rucksäcke. Er gibt uns Tipp`s für den Weiterweg, ich verlasse mich aber lieber auf meine eingegebene Route. Christa „mosert“ zwar ein wenig, „wenn wir dem Tipp nachgegangen wären, hätten wir uns einige hundert Meter gespart“.

Nach ca. zwei Stunden gönnen wir uns eine erste Pause im Schatten von Bäumen. Die Sonne brennt vom Himmel, wir schwitzen.


Teils laufen wir auf Teerstraßen, bis uns wieder ein Steig durch viel Wald weiter nach oben bringt. Die Sicht auf den See wird immer toller. Christa kann das nicht so wie ich genießen. Immer noch hat sie mit dem Rheumaschub zu tun, der sie heuer wieder mal angefallen hat. Und vermutlich setzt ihr auch das gechlorte Wasser, aus der Wasserleitung im Zimmer, zu.

Gut das wir heute eine kurze Etappe haben. Zum Eingehen reichen diese 10 Kilometer, noch sind wir nicht an das Gewicht der Rucksäcke gewöhnt, die zu Beginn einer solchen Fußreise sowieso immer am schwersten sind. Die Shampoo- und Sonnencremetuben sind noch voll, wir haben natürlich viel zu viel Verpflegung dabei (weil man die nächsten Tage nirgends mehr einkaufen kann).

Wir gönnen uns eine weitere Pause und erreichen das Albergo San Jean so um 13:15 Uhr. Setzen uns erst mal auf die Terrasse und genießen einen Cappuccino.

Hupend kommen viele Autos die Straße runter, aha eine Hochzeit. Braut und Bräutigam sitzen auf der Ladefläche eines alten Piaggios (Dreirad-Laster). Ein Oldtimer mit etlichen Büchsen scheppert hinterher.

Dann checken wir ein. Duschen, Ruhen, Spaziergang, Abendmenü, mehr haben wir heute nicht mehr vor.


27     So 30.07.17  Garzeno - Rif.S.Jorio    8:15Std.    14,7 km   1582 ^ 277   


Die sehr netten und aufgeschlossenen Wirtsleute servieren uns ein super Frühstück. Um 8:45 verabschieden wir uns und sind gespannt was uns erwartet. Erst mal auf einer Straße, die mäßig aber stetig ansteigt. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter wird die Aussicht schöner und schöner. Nach einer Stunde machen wir die erste Pause, da Bänke äußerst rar sind, nützen wir den Rastplatz bei der Wallfahrtskirche Maggiore.

Über viele Serpentinen verläuft die Straße weiter nach oben, die Autos die hier fahren, hupen bei jeder Kurve, mit der Zeit nervt das ganz schön. Nach einer Jakobskapelle zweigt ein Pfad ab, die Steigungen werden steiler. Und die ersten Ungereimtheiten über die Wegführung tauchen auf.

Welchen Pfad ich bei einer Gabelung auch gehe, keiner stimmt mit meinem GPS überein, das wird spannend. Einige Windungen weiter, scheinen wir wieder in der richtigen „Spur“ zu sein. Der Steig ist schön ausgemäht, hoher Farn links und rechts und führt quer an einem Hang entlang. Toll. Ca. einen Kilometer folgen wir der Route, plötzlich meldet sich mein Navi. War hier irgendwo ein Abzweig?

Etwas zurück, da müssten wir hoch, aber keinerlei Spur ist zu sehen. Was tun? Wir laufen die gemähte Spur weiter, entscheiden wir, die wird ja auch irgendwo hinführen! Leider endet sie im nichts! Sie hört einfach auf, bzw. kehrt im Bogen zurück. Nochmal umkehren? Nein!

Weit über uns ist ein Weg, darauf laufen Leute. Querfeldein steigen wir auf, durch hohes widerspenstiges Gras, Gebüsch und Sträucher. Mann ist das mühselig! Wir kämpfen uns höher und höher, noch 260 Meter sagt die Stimme aus der Hosentasche. Da haben wir uns was Schönes eingebrockt, denke ich mir. Zu Christa sage ich, „ich steige schnell voraus, lege oben meinen Rucksack ab und hole dann Deinen!“

Völlig außer Atem oben angekommen, muss ich erst mal trinken, verstecke meinen Rucksack und suche eine geeignete Stelle zum Absteigen. Rechts? Nein da ist es noch steiler, also links rüber. Der breite Hang ist sehr bauchig, nach unten, wie auch nach links und rechts. Mit jedem Schritt nach unten denke ich, Christa muss doch bald zu sehen sein. Ist sie aber nicht! Hat sie etwa umgedreht? Nein, der Weg unten ist gut einsehbar. Ich erreiche eine Stelle wo ich sicher bin, hier waren wir beide schon. Christa anrufen? Keine Verbindung! Da meldet sich das Telefon doch – eine SMS ist gekommen.

„Wo bist Du, ich bin auf dem Weg zu dem weißen Haus, stimmt das“? Ich schreibe zurück, „ich suche Dich, ja weißes Haus ist richtig.“

Na toll, Christa ist schon oben und ich suche hier am Hang nach ihr, aber Hauptsache es ist nichts passiert! So kämpfe ich mich wieder nach oben und laufe auch weiter zu dem Haus, wo Christa schon auf mich wartet. Fazit; man sollte doch besser zusammenbleiben.

Pause, essen und trinken, aus einem Brunnen kommt frisches Wasser, das tut gut. Drei Esel leisten uns dabei Gesellschaft. Hinter dem Gebäude verläuft der mit „San Jorio“ beschilderte Weg auf einer Schotterstraße weiter. Viele Autos stehen da und wir haben uns zu Fuß hoch gequält. Nun ja wir wollen es ja auch so, überrascht sind wir dennoch. Aber das ist Italien, viele Italiener fahren mit ihren Fahrzeugen rauf, soweit es eben geht, anschließend werden Decken und Körbe voller guter Sachen ausgepackt und es sich gemütlich gemacht.

Noch 50 Minuten sind es bis zum Rifugio,  lesen wir auf einem Wegweiser. War es bis jetzt sehr warm und sonnig, ziehen langsam Wolken und Nebel auf. Genau in dem Moment als wir das Gebäude erreichen, ist dieses bald vollständig im Nebel versteckt. Im 10 Betten Lager übernachtet mit uns noch ein Schweizer Pärchen, sie sind mit dem Rad`l da und sprechen gut deutsch.

In der Dusche überrascht mich ein lautes Rauschen. Eine Plane im Wind? Nein, es gießt in Strömen. Ein kurzes Berggewitter mit Blitz und Donner, da sind wir ja gerade noch rechtzeitig hier angekommen. In der gemütlichen warmen Stube gibt es später ein gutes Abendessen.

28 Mo 31.07.  Rif. S.Jorio - Roveredo  7:45Sdt.    15,2km    180 ^ 1741
  

San Jorio; hier im ehemaligen Zollhaus arbeiten überwiegend ehrenamtliche Personen, die Einnahmen werden für arme Leute verwendet. (Insieme Per I Poveni – Gemeinsam für die Armen)

Blauer Himmel und die Sonne lacht, wir können es kaum erwarten auf den San Jorio Pass (2012 Meter) zu kommen. Es ist nicht weit, nach 15 Minuten stehen wir oben und genießen den Rundblick. Hier verläuft die Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Das dort hinten müsste der Lago Maggiore sein und dort drüben verläuft unser Höhenweg in Richtung Nordwesten. Bei der Betrachtung kommt so was wie eine Vorfreude auf. Der kleinen Kapelle noch einen Besuch abgestattet, hinterher machen wir uns gemächlichen Schrittes und frohgemut auf den Weg.


Herrlich hier zu laufen, der Steig ist gut dem Gelände angepasst und hat nur wenige auf und ab. So eine knappe Stunde folgen wir dem Weg, später zweigt ein Pfad ab, dessen Spur sehr schlecht zu sehen ist.

Bei einer Almhütte ist die Routenführung wieder klar erkennbar. Bald müssen wir uns entscheiden; Abstieg nach Roveredo, oder nach Arbedo. Letzteres ist nicht unbedingt länger, es sind aber knapp 200 Höhenmeter mehr zum Absteigen und wird vermutlich auch steiler sein.

Die Knie brauchen wir noch länger, der Irrweg gestern hat auch Kraft gekostet, also runter nach Roverede. Langes nasses Gras, Steine und einige Löcher im Boden lassen uns sehr vorsichtig gehen. Das Gelände ist aber nicht steil. Sattes Grün unter uns, neben uns und bald darauf auch über uns. Die Landschaft ist sehr urwüchsig. Weit unten ist eine Alm zu sehen, die ist gerade richtig für eine spätere Brotzeit. Bis dahin sind noch einige Bächlein zu queren, die  weiter unten im Val Traversagna den gleichnamigen Bach, größer und größer machen.

Frisches Wasser bei der Alm, Sitzbänke und Tisch, danke dass wir dort verweilen durften. Die Waldgrenze ist erreicht, die Sonne hatte sich bisher immer wieder hinter Wolken versteckt, jetzt haben wir genug Schatten. Darüber sind wir richtig froh, denn es ist sehr heiß. Zwischendrin 1 km Teerstraße, hinterher wieder ein Steig.

Außer ein paar Waldarbeitern treffen wir den ganzen Tag über keine Menschenseele. Bei einer uralten Ponte und einem schöner Bildstock gönnen wir uns eine dritte Pause. Wir befinden uns nun auf einem uralten Handelsweg.

Die letzten paar Kilometer hinab sind nicht zu steil, man hört Motorengeräusche, die Zivilisation kommt näher. Ein Radfahrer kommt entgegen, ich frage nach einem Quartier. „Gleich hier links“ ist die Antwort, „oder dort unten rechts, das würde ich empfehlen, das ist preiswerter“. (Wir sind wieder in der Schweiz).

Leider ist das zweite zu. Die geschäftstüchtige Frau im anderen spricht gut deutsch und weist uns in die Gepflogenheiten des Hauses ein. Zum Frühstück ist niemand da, wir können uns aber alles selber nehmen, auch Kaffee vom Automaten. Für private Worte bleibt keine Zeit.

29 Di 01.08.17  Roveredo - Cresciano    7:45Std.   20,9 292 ^ 346
  

Wir lassen es uns gut gehen beim Frühstück und verschwinden dann durch die Hintertür. Die letzten zwei Tage stecken noch etwas in den Knochen, besonders bei Christa. Heute soll es nicht so lange werden, ist zumindest unser Gedanke. Auf einem schönen schattigen Weg verlassen wir Roveredo, Holunderbüsche neigen sich unter der Last ihrer Früchte. Wir laufen durch eine Allee, links davon ist ein Park der unsere Aufmerksamkeit erweckt, allerlei Skulpturen sind dort ausgestellt. Auf einem hohen Stuhl aus Metall sitzt ganz oben auf der Lehne ein Mann (wohl Adam), auf der Sitzfläche liegt ein Apfel, aber auch zwei Schlangen.

Groß ist die Ausstellungsfläche und verläuft parallel zu unserem Weg. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und wunderschön in die grüne Welt um uns herum eingefügt. Da macht das Wandern Spaß. Am Ende des Parks blühende Büsche und Bäume, umschwirrt von unzähligen Insekten und Schmetterlingen.

Der weitere Weg zieht sich, einige Spaziergänger kommen entgegen, fast alle freundlich grüßend. Nur einem muskelbepacktem „Schönling“ kommt kein Laut über die Lippen. Nach einer Pause erreichen wir dann Arbedo und ratschen mit einem Mann. „Ich gehe auch viel, aber soweit und mit dem ganzen Gepäck, das kann ich nicht“, erzählt er uns.

Die kleine Kneipe kam uns etwas zu früh für eine kühle Cola. Welches ist die Fußgängerbrücke? Gar nicht so einfach in diesem Wirrwarr den rechten Weg zu finden. Bald laufen wir auf dem Damm dahin, der die Stadt vor dem Wasser des Ticino schützt. Der warmen Sonne ausgesetzt die vom Himmel brennt und ewig gerade dahin. Später wechseln wir auf einen Radweg, wollen in den Ort der rechts auf einer Anhöhe erscheint.

Erstmal noch Pause bei einem Brunnen, bis es rauf in den Ort Claro geht. Klaro, wir wollen eine Cola. Aber nur Siedlungshäuser neben der Straße, das einzige Ostello hat zu. Also ohne Cola wieder runter zur Straße, unseren Weg suchen, dabei kommen wir bei einem Geldinstitut vorbei. Genau, wir holen uns Schweizer Franken, so war der Trip doch nicht ganz umsonst.

Über ein Sträßchen gelangen wir schließlich wieder zum Fluss, Bäume spenden Schatten am nahen Rastplatz. Unsere Pausenbank ist breit genug zwei Wanderern noch Platz anzubieten. Es ist ein Schweizer Pärchen, sie waren vor nicht langer Zeit auf der Corno Gries Hütte. „Richtet einen schönen Gruß von uns aus  wenn ihr oben ankommt, wir sind die Baumanns“, meint der männliche Part. Versprechen wir natürlich gerne.

Auf den letzten Kilometern nach La Finca müsste eine Jugendherberge kommen, laut Booking.Com. Die wollen wir ansteuern und kommen zu einem Campingplatz und einer „verlassenen“ Ranch. Die Tür ist offen, neugierig wie ich bin schau ich rein. Bar, Küche, Speiseraum und ganz hinten ein Strohlager für ca. 12 Personen. Christa hat draußen gewartet und ein Schild entdeckt, der Besitzer kommt erst um 16:00 Uhr. Um die angegebene Zeit ist er aber immer noch nicht da, ich rufe an. Tatsächlich erreiche ich in, „Habe zu tun, kann erst um 18:00 Uhr kommen, macht es euch inzwischen gemütlich“ meint er. Meine Frage auf ein Abendessen verneint er, da müssten wir in den Ort gehen.
Wir schauen uns an und denken beide das gleiche, nein!

Schon sind wir wieder unterwegs, im Ort muss es noch ein Ostello geben. Gesucht, gefunden, geschlossen! Das zermürbt, die Hitze und doch schon wieder 20 km gelaufen. Wieder zurück zur Kirche, da unten ist doch ein Restaurant, fragen kostet nichts. Und tatsächlich, ich kann es kaum glauben, ein Zimmer ist unser. Nichts tolles, sehr einfach, aber gute Betten.

Am Abend dann kracht und scheppert es rund um uns herum. In der Schweiz ist Nationalfeiertag, das muss mit Raketen und Böllern gewürdigt werden. Leider liegt das Fenster im Zimmer direkt zur Straßenseite, die viel befahrene Gotthardstraße direkt unter uns. Bei dem Lärm ist an Schlaf bei offenem Fenster nicht zu denken.

30    Mi 02.08.17   Cresciano - Biasca   4:45Std.    15,9km   143 ^ 68

 
Die Nacht überstanden, Frühstücken und dann raus, aber wohin? Habe gestern die Route ins Handy eingegeben, aber was nützt mir das ohne Netz? Zum Fluss Ticino rüber ist ein Stück zu laufen, da wäre sicher ein Weg. Durch die Bahnunterführung? Christa meint, „nach Osagua Cresciano müsste es beim gestrigen Ostello weitergehen, da habe ich ein Schild gesehen“. „Die Unterführung ist kürzer“, sage ich und so laufen wir endlich los in der Hoffnung es wird schon stimmen. Immer der Bahn entlang verläuft die kleine Straße, ein kleines Haus beruhigt meine Gefühle, das ist sicher mit dem Auto erreichbar. Aber; nicht weit danach eine Baustelle mit großem Schild, darauf steht gesperrt, scheinbar ein Geröllabgang. Gottseidank kommen wir zu Fuß aber drüber. Die Straße steigt an, vor uns ist ein Fels zu sehen, daneben die Bahn. Das erzeugt wieder ein klammes Gefühl, Angst umkehren zu müssen. Das Sträßchen steigt und steigt, bis zu einem Steinbruch, aber auch wieder hinab zu einer großen Granitfabrik. Wir sind froh bald darauf dieses Gelände  verlassen zu können.

Aufatmen, das GPS funktioniert wieder, kommen zum Fluss und machen eine längere Pause. Der Weiterweg kann dann gar nicht mehr verfehlt werden. Immer der Ticina entlang. Gemalte Bilder (vermutlich von Kindern) an dicken Baumstämmen unterbrechen das eintönige Gehen.


Nochmal Pause mit Blick auf den Fluss, dabei können wir auch den Hubschrauber beobachten, der scheinbar Baumaterial in ein Bergtal fliegt.

Was hat Biasca an Übernachtungen zu bieten? Über Booking.com machen wir gleich was fix. Meine Tagesplanung stimmt nicht mehr, wir haben bis hierher schon länger gebraucht als gedacht. Bis Corno Gries noch was aufzuholen scheint nicht möglich zu sein. Bis Airolo sind es noch knappe 50 Kilometer, das sind zwei Tage. Die Gegend gab bisher nicht viel her, Bus und Bahn wollen wir aber auch nicht nutzen, sind schließlich auf einer Fußreise.

Brütend heiß ist es, als wir den schützenden Wald verlassen. Rein nach Biasca, gar nicht so klein das Städtchen. Unser Hotel ist nicht weit von der City entfernt. Eingecheckt, Cappuccino getrunken, kleiner Erkundungsgang.

Der alten romanischen Stiftskirche auf dem Berg (Chiesa Prepositurale die santi Pietro e Paolo) einen Besuch abgestattet, das war es wert! Toll! Unbedingt anschauen! Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert und glänzt mit Wandmalereien aus diversen Epochen. Die Pfarrkirche San Carlo hat mir/uns nicht so gut gefallen.

31   Do 03.08.17 Biasca  - Faido   7:45Std.   25,5km   534 ^ 116
  
Die fülligere der beiden Schwestern bedient uns beim Frühstück, sie strahlt mehr Herzlichkeit aus. Der Wirt gibt uns sogar ein paar Brocken deutscher Wörter mit auf den Weg.

Die Route ist klar wie der Himmel, die Sonne konnte den Berg noch nicht erklimmen, jetzt im Schatten ist es angenehm zu laufen, wenn auch auf Teer- und Nebenstraßen. Dörfer zu durchwandern ist heute so die einzige Abwechslung und ja, stimmt, wir befinden uns auf dem Jakobsweg, er hat uns wieder.

4 Pausen legen wir ein. Nach einer Stunde bietet uns eine Bank im Schatten Platz. Hohe Quadratische Felsblöcke neben der Straße nützen wir, nachdem ein ewig langes Industriegebiet bei Bodio zu durchwandern war. Eine Menge Militärfahrzeuge fahren dabei an uns vorbei, drei junge Frauen kann ich unter den Fahrer/innen erkennen. Giornico ist ein schmuckes Dorf mit einigen Bogenbrücken und beeindruckenden Kirchen.

Sind wir bisher auch dem Jakobsweg gefolgt, entscheiden wir uns jetzt für das Navi. Nach einer langen Einschleifung müssen wir nun auf der Via San Gottardo laufen. Bergauf, die Hitze, das schlaucht. Gut das nicht viele Autos fahren.

Die Bahn zwängt sich auch durch diesen engen Taleinschnitt, die Autobahn verläuft über uns. Den Schatten der hohen Pfeiler nützen wir für eine Pause. Nach weiteren zwei Kilometern endlich ein Abzweig und im Dorf  Nivo ein Brunnen mit frischem klaren Wasser. Tut das gut. Anschließend nochmal endlose Kilometer neben der Autobahn entlang, zermürbend, anstrengend, monoton. Letzte Rast in einer Wiese, ich checke Übernachtungen. Wir buchen aber nichts. So 3 – 4 Kilometer nach Faido gäbe es noch mehrere Albergos. Die müssten aber nur für den Notfall herhalten.

Der Ort ist erreicht, es gibt einen Coop, dort können wir morgen unseren Vorrat wieder auffüllen. Setzen uns auf eine Bank unter einem schattigen Baum, Rucksäcke runter. Ich schaue alleine nach einem Albergo aus und sehe, gleich gegenüber ist es, das Albergo Faida. Es hat ein Zimmer für uns, groß und geräumig. Draußen vor dem Fenster rattert ein Aggregat, Küchengeruch weckt Hunger. Das Aggregat wird Gott sei Dank mal ausgeschaltet, so sind die Liebesgeräusche aus fremden Fenstern besser zu hören.


32   Fr 04.08.17   Faido  - Airolo/Bredetto     8:00Std.  23,2km   759 ^ 329
 

Oben im Rifugio Capanna Corno Gries haben wir reserviert von Samstag auf Sonntag. Die „Baumanns“ hatten uns dazu geraten. „Am Wochenende ist dort oben immer guter Betrieb, die Hütte ist relativ leicht erreichbar und die Gegend toll zum Wandern“.

Dies geht mir im Kopf herum, bei dem Gedanken mit Bus oder Zug abzukürzen. Ab Sonntag soll das Wetter schlecht werden und wir laufen hier im Tal bei Sonnenschein, hadere ich etwas. Christa sage ich nichts von meinen Gedanken und verwerfe sie dann ganz und tue gut damit.

Auf den Nebenstraßen finden wir uns gut zurecht, müssen später zwar auf die Via Catonale, die hat aber einen Seitenstreifen. Später zweigt links ein Pfad ab, der steil über einen weiten Bogen nach oben führt. An dieser Stelle macht die parallel verlaufende Bahn einen „achter“ im Berg, so zeigt es die Karte an. Der Zug der gerade kommt, fährt in den Tunnel und taucht nach geraumer Zeit weiter oben von der rechten Seite her wieder auf. Schön das zu beobachten. Amüsiert lesen wir am Bahnwärterhaus die Aufschrift „Hukepack“.

Nochmal auf die Via Catonale, dann nach links in eine wildromantische Schlucht. Hier stürzen die Wasser des Ticino wild schäumend herab. Willkommene Abwechslung von den doch etwas eintönigen Gegenden der letzten Tage. Das Gehen macht gleich viel mehr Spaß. Die Speicherkarten der Fotoapparate werden gefüttert. Blauer Himmel, Felsen, Wasser, Brücken und Steige sind dankbare Motive, garniert mit uns und unseren großen Rucksäcken.

Plötzlich sind wir über der Autobahn und gucken runter auf den regen Verkehr. Rodi hat auch einen großen Bahnhof und neben uns steht das Albergo Dazio Grande, diese 4 Kilometer bis hierher hätten gestern noch sehr wehgetan, das waren einige Höhenmeter.

In Campaso gönnen wir uns eine Cola und rätseln über den Weiterweg. Straßenschilder oder Navi, was ist besser? Ich befürchte schon wieder neben der Autobahn herlaufen zu müssen, als die Markierung doch noch in eine andere Richtung zeigt. Und schon sind sie wieder vereint, Navi und beschilderte Wegführung. Zwar wieder bergauf, aber immerhin ein schattiger Waldweg der später bei Quinto wieder runterführt. Unter der Autobahn durch, etwas abseits durch Wiesen, dann einige Zeit auf Schotterstraßen neben dem zähfließenden Verkehr her. Zum Teil laufen wir schneller, als die fahren.

Nach dreimaligem Wechsel, links rechts links, ein Steig der sich nach oben windet und über dem Autobahntunnel weiter in einen Wald hinein verläuft. Weg vom Lärm der Zivilisation, hinein in schöne Natur. Konzentration ist nun gefragt, der Steig erfordert Aufmerksamkeit, wir wollen ja heil in Airola ankommen.

Vor dem Ort eine riesige Baustelle, neue Straßen werden gebaut. Zubringer zum Gotthardtunnel. Die Gotthardpassstraße ist weit oben am Berg auszumachen, Serpentinen über Serpentinen ziehen sich hinauf.

Am Bahnhof unter den Geleisen durch, stehen wir plötzlich vor zwei Hotels und entscheiden uns für das Hotel Forni. Das dazugehörige Restaurant hat stolze Preise, da suchen wir lieber eine nahe Pizzeria auf.


 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü