Aumont Aubrac - St.Jean-Pied-de-Port - Wandern so lange der Urlaub reicht

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Jakobsweg

15.08.2008 Freitag


Sehr früh müssen wir aufstehen, gepackt ist schon alles, spätestens um 5:00 h wollen wir am Flughafen sein und sind wir auch. Adrian fährt uns. Abflug ist um 6.30Uhr. Zwischenlandung in Lyon, dann fliegen wir weiter nach Toulouse. Ein Stadtbus bringt uns zum Bahnhof, ist es der richtige? Verschiedene Namen sind angegeben, einmal vor, einmal zurück, es ist der Richtige. Auch das mit dem Ticket klappt recht gut, wir haben auch genügend Zeit. Wir fahren quer durchs Land, hoch Richtung Clermont Ferrand, wo wir dann umsteigen müssen. Besonders das letzte Stück im Zentralmassiv stimmt uns freudig ein auf unsere Wanderung. Instinktiv? Oder zufällig? Blättere ich gerade im Wanderführer, als wir in Figeac einfahren, das liegt doch auf unserer Wanderstrecke denke ich und habe Recht. Unser französisch reicht gerade mal, den Zugnachbarn unsere Unternehmung in etwa zu erklären, aber immerhin. Mit ca. 15 Min. Verspätung kommen wir am Umsteigebahnhof an, der Anschlusszug nach Aumont Aubrac ist schon weg, was tun? Später fährt kein Zug mehr erkennen wir am Anfahrtsplan. Auch andere Fahrgäste bewegen sich aufgeregt in der Bahnhofshalle, wir sind nicht allein mit unserem Schicksal. Ein Beamter bearbeitet pausenlos sein Telefon, fragt nach unseren Zielen und bietet schließlich ein Taxi als Lösung an. Trotz Großraumtaxi ist es für 6 Personen mit Gepäck und zusätzlich einem Fahrrad zu klein, eine Privatperson bietet sich an auszuhelfen und so starten wir dann, 4 Leute auf dem Rücksitz. Aber bald wird es gemütlicher, die ersten steigen aus, auch der stark angetrunkene „Beifahrer“. Eine glatte Stunde fahren wir bis Aumont Aubrac, das Quartier habe ich mir schon das letzte Mal ausgeguckt, die Gite teilen wir uns mit 12 anderen Personen. Sofort kommen wir mit zwei Stuttgarterinnen ins Gespräch, als wären wir schon „wer weiß wie lange“ gelaufen.

16.08.2008 Samstag
26 km / 575 ^ 445 / 08:45 – 16:15 / Aumont Aubrac bis Nasbinals

Kalt aber klar ist es am Morgen, freudig und neugierig darauf was uns erwartet, packen wir`s an. Fast menschenleer ist es in dieser Hochebene, wären die vielen Pilger nicht, die durch die ländliche Idylle mit grünen Wiesen, kleinen Bächen, vielen Steinen und glücklichen honiggelben Kühen wandern. Überwiegend französisch ist hier die Sprache, obwohl wir bald bemerken dass natürlich auch deutsche Pilger mit Bonjour antworten und nicht mit Hallo oder Guten Tag. Plötzlich kommen uns Personen entgegen die etwas eigentümlich gekleidet sind, das sind „Goum`s“ eine religiöse Glaubensgemeinschaft, erklärt uns jemand. Wir nennen Sie „Bademantelpilger“, so wie sie angezogen sind und das bei diesem Wetter. Seit Mittag scheint die Sonne, es ist gut warm. Der Fortschritt ist scheinbar auch hier nicht aufzuhalten, der Weg wird zur frisch geteerten Straße und zieht sich endlos, nicht passend zur urwüchsigen Landschaft. Schließlich haben wir Nasbinals erreicht, vor der ersten Gite sind schon die reservierten Namen ausgestellt, wir haben vorher nicht reserviert. Der Ort ist voll belegt, erfahren wir in der Info. Aber.. es gibt noch eine Möglichkeit, bekommen wir per PC ins deutsche übersetzt. Mit Luftmatratzen auf dem Boden nächtigen wir in einer Halle, zusammen mit einer deutschen Familie (Eltern, Sohn und dessen Freund) und einem Schweizer Pärchen mit Hund. Für uns kein Problem, Hauptsache eine Unterkunft. Beim gemeinsamen Abendessen, alle versorgen sich selber, werden erste Erfahrungen ausgetauscht (Wegstrecken, Blasenpflaster, Magnesium gegen Muskelkater, usw.) Man soll nicht mit Hunger einkaufen, immer wieder machen wir diese Erfahrung, morgen müssen wir einen Riesenlaib Brot mitschleppen. Familie Rummel lässt für die nächsten Tage von der Info-Frau vorreservieren, nur zu gern schließen wir uns ob dieser heutigen Erfahrung an.


17.08.2008 Sonntag
17 km / 335 ^ 717 / 10:00 – 16:00 / Nasbinals bis St. Chely d´Aubrac

Wildblumenteppiche, schützende Steinmäuerchen und endlose Weideflächen zeigen sich heute bei Nieselregen und vorbeiziehenden Nebelschwaden, die aber nichts vom Reiz dieser Gegend nehmen. Im Gegenteil, der Weg heute ist um einiges schöner als die gestrige Teerstraße, mit 1368 m erreichen wir die höchste Stelle der Via Podiensis. Dicke Steinmauern umgeben die Klosteranlage mit der schlichten Kirche von Aubrac. Die Nebelglocke „Maria“ hat hier früher den Weg gewiesen. Riesige Obstkuchenschnitten, serviert auf Esstellern!! luden im nahen Cafe zum verspeisen ein. Während des Abstiegs wechselt dann die Landschaft, wir wandern durch Wald und Felsformationen und vorbei an alten Schlossruinen. Das Lottal eröffnet immer wieder tolle Ausblicke auf die hügeligen Hochflächen. In St.Chely d´Aubrac holt der Gastgeber der privaten Gite, uns 6 Pilger vor der Kirche ab, die zweite Tageshälfte sind wir zusammen mit unseren neuen Bekannten gelaufen. Nach kurzem Fußmarsch werden wir vom Haushund freudig begrüßt. Das Doppelzimmer teilen wir uns die halbe Nacht mit der Hauskatze, ohne Scheu hat diese die Gelegenheit genützt, während des langen ausgezeichneten Diners, das Bett aufzuwärmen.


18.08.2008 Montag

23 km / 658 ^ 1079 / 09:00 – 17:00 / St. Chely d´Aubrac bis Espalion


Bei wunderschönem Wetter ziehen wir uns gleich in der Früh die kurzen Hosen an und pilgern freudig durch die wunderschöne kurzweilige Landschaft. Immer wieder treffen wir auf schon bekannte Gesichter, mal ziehen wir vorüber, mal ist es umgekehrt, man wird einander vertrauter. Schon von weitem sieht man den seltsamen gedrehten Kirchturm der Kathedrale von St-Cóme-d`Olt, dass wir später durch eines der drei Stadttore betreten. Tolle Bauten stehen in den engen Gassen und engen Plätzen. Hier lässt sich gut Brotzeit machen. Dann wandern wir weiter, erst entlang des Lotufers bis der Weg dann nach links abbiegt. Steil bergauf pilgern wir durch einen Laubwald, die Sicht hinab wird immer schöner, in der Ferne ist auf einem Berg die Burgruine Calmónt d`Olt zu sehen. Der Weg verändert sich, die Erde wird immer grauer und pulvriger, wir durchqueren auf fast 500 hm einen Vulkanschlot und erreichen dann, die hoch über dem Lottal thronende Madonnenstatue. Der Blick auf Espalion ist gewaltig. Schwitzend - es ist sehr heiß - steigen wir ab und laufen noch endlos lange entlang des Flusses, bis wir die Stadt erreichen. Bei der Hauptkirche haben wir einen Treffpunkt vereinbart, um gemeinsam mit der Familie das heutige Klosterbett anzusteuern. Nach einigen SMS en, eilen auch die anderen von „ihrer“ Kirche am Stadtrand, ins Zentrum. Ziemlich geschafft ist das Ehepaar, der Weg wieder hoch auf den Berg hat sie geschafft und auch genervt, „wären wir doch unten herum gegangen“. Wie verschieden doch wir Menschen sind… Am Touristikbüro wird ein Taxi gerufen, das Kloster liegt 7 km außerhalb und wie wir bei der Fahrt dorthin bemerken, auch in einem hohen, weit abgelegenem Gebiet. Wir werden herzlich begrüßt und von Jean-Marie zum Quartier begleitet. Dies liegt aber zu unserem Erstaunen nicht im Kloster, sondern in einem Turm an der Befestigungsmauer. Die Treppen hoch, Eingang zur Küche und Aufenthaltsraum, Treppe hoch, Schlafplatz für 6 Personen, wieder Treppe hoch, hier schlafen die Turmwächter. Diese wechseln sich alle 3 Wochen ab. Sie kaufen ein, kochen mit den Pilgern das Abendessen und halten den Turm sauber. Eine Rarität ganz besonderer Art ist die „Toilettendusche“. Ein französisches WC über das man einfach einen Lattenrost legt und fertig ist die Dusche. Nach der Messe Abendbrot und dann ins Bett, wir schlafen gut.

19.08.2008 Dienstag
25 km / 853 ^ 578 / 09:00 – 16:45 / Espalion bis Golinhac

Das Taxi bringt uns wieder zum Ausgangspunkt zurück. Der Himmel ist bewölkt, reißt es auf ? Wir ziehen die kurzen Sachen an, es ist schwül, später regnet es, unsere neue Regenklei- dung hat die erste Bewährungsprobe. Wieder bewegen wir uns in wunderschöner Gegend, kleine Dörfer, Ausblicke in die Täler, Hochflächen und Laubwälder wechseln sich ab. Aber auch viele Teerstraßen plagen heute die Füße und immer wieder haben wir eine Pilgergruppe mit gut 20 Leuten im Genick. Gewaltig ist die Stadt Estaing mit Pilgerbrücke und mächtiger Burg. Lange zieht sich der Weg dann den Berg hoch, die Regenhosen werden wieder „heruntergeklappt“, zu stark beginnt es wieder zu Regnen. Bei einer späteren Pause holen uns die „Rummels“ (deutsche Familie) wieder ein, welche dann weiter „rennen“ zur gemeinsamen Gite. Diese ist vom feinsten, Ausstattung, Verpflegung, Service. Drei Freisinger Mädels gehen noch weiter bis zur nächsten Stadt. Wo morgen übernachten? Wieder gleich vorbestellen, es sind immer noch sehr viele Pilger unterwegs und Conques soll überhaupt sehr besucht sein. Zwei Französinnen überschlagen sich förmlich mit ihrer Hilfestellung. Mit Miam, Miam Dodo, ein franz. Herbergsführer und Handy in der Hand, werden Nummern abgeklappert. Geschafft, wir nächtigen morgen im Accueil-Abbay Ste-Foy, wir würden einfach Kloster sagen.


20.08.2008 Mittwoch
23 km / 513 ^ 850 / 08:30 – 16:00 / Golinhac bis Conques


Der Jakobsweg führt uns heute bei sehr angenehmen Temperaturen über welliges Relief durch Mischwälder, Weiden und Wiesen, wobei vor allem der Abstieg zur Stadt Conques sehr schön ist. Heute lernen wir den großen Österreicher kennen, dessen Geschichte mit seiner Frau die an der Galle operiert werden musste und er deshalb alleine unterwegs ist, vorauseilte. Ein netter sympathischer Herr, trotz Wiener Dialekt. Wir werden ihn noch öfters treffen. Eine Französin kommt uns entgegen und bittet uns ganz aufgelöst um Hilfe. Eine Freundin hätte sich verlaufen, verstehen wir nach einiger Zeit und sie hätte kein Handy um sie anrufen zu können. Handy raus, Nummer gewählt und da … kommt sie auch schon. Große Freude, danke danke. Conques, der erste Blick, die erste Sicht, einfach grandios. Eine Bilderbuchidylle diese Stadt mit ihren Häusern, Gassen und der Abtei. Ein beeindruckendes Bauwerk romanischer Kunst von unglaublicher Höhe. Die gute Klosterküche genießen wir mit ca. 80 anderen Pilgern, dann nehmen wir am Gottesdienst mit Pilgersegnung teil, wobei sogar Teile in Deutsch gesprochen werden. Vor dem Zubettgehen erfreuen wir uns noch an einem Orgelkonzert in dieser wunderbaren Kirche. Es ist wieder ein „Gänsehauterlebnis“. Vier der 12 Betten in unserem Schlafsaal quietschten leider schon bei der kleinsten Bewegung, meines auch. Na ja, auch das Negative gehört zum Leben.

21.08.2008 Donnerstag
22 km / 1023 ^ 973 / 08:45 – 18:00 / Conques bis St. Roch

Strahlender Sonnenschein am Morgen und wunderbare Sicht. Der Weg führt erst mal steil die gepflasterte Rue Charlemagne hinab um nach der Überquerung der Bundesstraße wieder auf schönem Steig, hochzuführen.Von der Chapelle Ste-Foy ist Conques noch einmal von oben zu bewundern. Bei einer Abzweigung entscheiden wir uns für den etwas weiteren Weg, Wald und Wiesen sind uns lieber als Teerstraßen. Christa äußert erste größere Zehenprobleme. Vom wenigen Schlaf gestern sind wir müde, es wird wenig gesprochen. Das ständige auf und ab verlangt uns viel ab, siehe Höhenmeter. Irgendwann ist die Stadt Decazeville in Sicht. Wir schlafen heute in einer privaten Gite, keine Einkaufsmöglichkeiten. Eigentlich wollen wir Obst, doch noch rein in die Stadt! Wieder mal Entscheidungsschwierigkeiten. Christa setzt sich auf eine Bank und ich mache mich auf die Suche nach einem Obstladen. Nach einer guten halben Stunde komme ich mit einem Käse, einem Baguette und zwei Obstkuchenstücken zurück. Brotzeit. Einen „Spar“ entdecken wir erst beim verlassen der Stadt, kaufen aber trotzdem noch mal ein, man weiß ja nie. Ganz schön heftig müssen wir noch mal den Berg rauf nach St. Roch, das Quartier liegt etwas außerhalb, nett am Berghang gelegen, wo gerade Karl (ein Schweizer) Tagebuch schreibt. Wir setzen uns in die Sonne und rasten bis die Hausherrin kommt, die später ein leckeres, aber unbekanntes Mahl für 5 Pilger kocht. Nach der Wundversorgung der Zehe geht es zeitig ins Bett.

22.08.2008 Freitag
28 km / 697 ^ 812 / 08:45 – 17:45 / St. Roch bis Figeac

Das Wetter hat umgeschlagen, es regnet etwas. Die Sicht auf die Stadt Livinhac-le-Haut ist trotzdem schön. Am Marktplatz treffen wir wieder auf die Rummels die hier in einem Turm geschlafen haben. Zusammen marschieren wir dann weiter, vom Sog ihres Elans werden wir mitgezogen, sie sind insgesamt immer etwas schneller als wir. Gerade Christa profitiert heute davon, der Schwatz mit Vroni lenkt sie doch etwas von den Schmerzen ab. Nach einer Pause geht jeder wieder seine eigene Geschwindigkeit. Karl trifft wieder auf uns, obwohl er eher weggegangen ist als wir. Er hatte sich verlaufen. Viele Pilger sind heute unterwegs, die wie wir auf den ungeliebten Teerstraßen laufen müssen. Immer wieder regnet es, mal zu warm, mal zu kalt, Jacke aus und Jacke an. Ein Platzregen rauscht hernieder, wir gehen unbeirrt weiter, vorbei an Leuten und Hunden die sich einen Notunterstand gesucht haben. Das letzte Stück nach Figeac (dort kamen wir bei der Anreise mit dem Zug durch) ist viel Verkehr, endlich können wir die Hauptstraße verlassen. Nach kurzer Orientierungslosigkeit haben wir die heutige Gite mit je 4 Betten in den Zimmern erreicht. Und wer ist noch hier? Die Rummels und Karl, wir freuen uns sehr, so muss es sein. Rummels machen Schluss, sie fahren morgen nach Hause. Das Abendessen, wieder ein gutes Diner, gestaltet sich als sehr geselliges Zusammensein.

23.08.2008 Samstag
31 km / 770 ^ 800 / 08:45 – 18:00 / Figeac bis Cajarc

Nach dem Frühstück wird wieder das Zimmer bestellt, eine lange Tour wartet auf uns, da wollen wir Sicherheit. Abschied nehmen von den neuen Bekannten und weiter geht`s bei trübem Wetter. Viele Pilger steigen heute aus, es werden weniger. Eine neue Gegend wartet auf uns, die Causses. Diese Hochebenen sind ein Wassermangelgebiet, der Regen kann vom verkarsteten Kalkstein nicht gespeichert werden. In den steppenartigen Graslandschaften, eingegrenzt von unzähligen Steinmauern, weiden viele Schafe. Wacholder, unzählige Brombären, kleine Eichenwälder und Johannisbrotbäume wachsen dort neben Ginster und Kreuzdorn. In dieser kargen Landschaft stehen runde steinerne Hirtenhäuser – Menhiren  und Dolmen, Zeugen aus einer früheren Besiedelung. Der Weg ist schön aber meist sehr steinig, am Nachmittag ist es angenehm warm geworden. Etwas verwundert sind wir über die Kilometerangaben, sind wir so langsam? Schließlich sehen wir die Stadt Cajarc im Tale unter uns liegen, der Abstieg ist nach unserem Geschmack. Die Gite ist schnell gefunden, wir haben ein Doppelzimmer. Da hier Selbstverpflegung ist, gehen wir einkaufen. Dabei überrede ich Christa mit Hilfe des Österreichers, doch zum Italiener zu gehen. 2 riesige Salate und eine Pizza haben wir bestellt, (wer soll das essen) die Unterhaltung war angenehm, der Österreicher erzählt von seinen Abkürzungen, wo und warum er sich verlaufen hat. Christas Zehe entwickelt sich immer mehr zu einem sehr großen Problem. Sie hat kaum mehr Platz in ihren Schuhen. Der Nagel hat sich zurück geschoben, darunter und herum haben sich große Wasserblasen gebildet. Es wird wohl eine Nagelbettentzündung entstehen.

24.08.2008 Sonntag
25 km / 630 ^ 458 / 09:15 – 17:30 / Cajarc bis Varaire

Wie wird dieser Tag wohl werden? Insgeheim hoffe ich natürlich dass Christa das Etappenziel erreicht. Limogne-en-Quercy wäre eine Alternative nach ca. 18 km. Mal schauen. Das Frühstück müssen wir heute selber machen, beim weggehen ist es kalt, Nebel streicht noch über die Felder, erst gegen Mittag wird es wärmer. Es strengt an, nicht zu schnell zu gehen, nicht den Eindruck des Treibers zu erwecken. Die Gegend ist beschaulich, der Weg verläuft mal auf Schotter- dann wieder auf Teerstraßen durch viele Weiler mit dem „Vornamen“ Mas. In Limogne-en-Quercy treffen wir wieder auf bekannte Gesichter. Einige bleiben hier. Wir gönnen uns ein Eis das mit Wiener Schmäh garniert wird. Christa geht`s wieder besser, so dass wir beschließen, doch noch weiterzugehen. Den Abzweig um weitere Dolmen zu besichtigen sparen wir uns, es werden sicher auch noch andere kommen. Gegen 17:30 erreichen wir das als verschlafen beschriebene Dorf Varaire. Und hier geht die Post ab, es ist gerade ein Dorffest mit Buden, Karussells und Musik zum Tanzen. Das Quartier ist gut, alleine im 4 Bettzimmer und auch das Essen hat es in sich. Zehn Pilger sitzen am Tisch zusammen, darunter auch Wolfgang und Andrea aus Stuttgart. Zwei Französinnen beneiden uns da wir weitergehen dürfen. Sie müssen aufhören, der Urlaub ist vorbei. Der Festplatz wird aufgeräumt, die Musiker speisen zu Abend. Gegen 22:00 Uhr dann, wir sind gerade beim Einschlafen, plötzlich wieder laute      Tanzmusik. Sollen wir weinen oder lachen? Die Musik ist gut, schmissig, wäre Christas Zehe nicht, würden wir tanzen gehen. Irgendwann schlafen wir dann doch ein.

25.08.2008 Montag
31 km / 535 ^ 740 / 08:30 – 18:30 / Varaire bis Cahors

Etwas lassen sie uns warten, bis wir rein dürfen zum Frühstück. Wir kaufen noch ein Baguette für unterwegs, lange keine Einkaufsmöglichkeit steht im Führer. Abschied vom Ösi, den wir dann auch tatsächlich nicht mehr antreffen sollten. Eintönig ist die Gegend, zwar schön, aber eben immer gleich. Eintönig sind auch meine Gedanken, ich rechne wieder einmal. In Mas de Vers soll eine gute Gite sein, Empfehlung von Fritz einem alten Pilgerkollegen. Christa hat das noch gut im Gedächtnis und ich glaube, das bremst sie zusätzlich. Nach nur 12 km schon Schluss? Ich hadere. In Le Pech ist auch noch eine Gite, überrede ich meine Frau. Na dann mal los. Hoch auf dem Berg liegt ein Dorf, dachten wir. Es ist ein Weiler, etwas abseits steht die Gite. Erst um 17:00 wird geöffnet, was tun bis dahin? Auch sonst gefällt uns das ganze nicht. Auch Christa will weiter, noch 13 km bis Cahors, irgendwie werden wir`s schon packen. Beim weiter gehen reden wir vom Schuhkauf, das lenkt ab und gibt dringend notwendige Perspektiven für die nächsten Tage. Ich spreche von Wandersandalen, sie von Wanderschuhen, aber egal. Pilger sehen wir überhaupt keine mehr, sicher, wir sind langsam gegangen, oder haben wir uns etwa verlaufen? Das ginge gerade noch ab, nein da vorne ist wieder ein Zeichen. Plötzlich beginnt die Gegend wieder interessant zu werden, wilder, urwüchsiger und der Weg steigt wieder an auf eine Hochebene. Das lässt auch unsere Stimmung wieder steigen und dann wird der Blick auf Cahors frei. Als wenn man vom Kellerberg auf Wasserburg am Inn blickt, nur bildet hier der Lot die Wasserschleife um die Stadt und es besteht ein größerer Höhenunterschied. Sehr steil steigen wir nach Cahors hinunter, dem Schild Gite, noch außerhalb der Stadt folgen wir und haben Glück. Nach 10 Stunden auf den Beinen, sind wir beide kaputt. Ich mache mich noch auf den Weg um einzukaufen, Abendessen gibt es hier nicht und werde in einem Tabakladen fündig. Wie gut ist doch warmer Tee, Baguette mit Wurst oder Käse und zum Abschluss etwas Schokolade!

26.08.2008 Dienstag
6 + 6 km / 326 ^ 282 / 09:00 – 15:30 / Cahors bis La Roziére / Les Mathieux

Ziel gerichtet, und etwas gemütlicher ist dieser Tag geplant. Als erstes gilt es Schuhe zu kaufen. Rein nach Cahors bei Morgensonne aber kühler Luft. Wir laufen die Straßen durch, wird schon ein Schuhgeschäft kommen denke ich, Christa schaut sich eher nach einer Info um und es wäre besser gewesen ich hätte mich auch mehr darauf konzentriert. So lernen wir zwar die Stadt kennen und die Kathedrale mit ihrer sehr seltenen vom Boden weg 45 Meter hohen Kuppel, finden aber nichts. Die Schuhgeschäfte bieten nur Designerschuhe und keine Wanderstiefel. In der Info schließlich werden wir wieder Richtung Ausgangspunkt zurückgeschickt und wir müssen am pulsierenden Verkehr noch knappe 3 km durch Industriegebiet mit Auto- häusern an mass, vorbeimarschieren. Hat mich das genervt! Aber, Christa findet so eine Art geschlossene Sandale, die groß genug gekauft, viel Platz für die lädierte Zehe bietet. So könnte diese sich zumindest etwas erholen. Hoffnungsvoll starten wir wieder durch, treffen in der Stadt noch auf Wolfgang und Andrea, die heute Schluss machen, kaufen eine leckere Brotzeit und überschreiten die Pont Valentré. Das ist eine imposante Wehrbrücke mit Türmen und Fallgitter, das Wahrzeichen der Stadt. Alsdann geht es steil einen Steig hoch mit prächtigem Überblick über Stadt und Fluss. Die Uhr zeigt nach der Brotzeit schon 14:00 an, das Schuhkaufen hat einige Zeit gekostet. Abwechslungsreich führt der Weg weiter, eher ansteigend, wir kommen durch ein Siedlungsgebiet und stehen plötzlich vor einer Nigelnagelneuen Gite mit Pool. Ich meine, dass ist nur was für „Geldige“ und denke erst gar nicht ans bleiben. Andererseits sind es zur nächsten Gite noch einige km zu laufen. Schnell ent- schlossen wie ich nun mal bin, gebe ich dem Drängen von Christa zu bleiben endlich nach und richtig war es allemal. Endlich etwas relaxen und zur Ruhe kommen, auch das Einkaufen hat Kraft gekostet. Am Abend genießen wir ein köstliches Menü in angenehmer Gesellschaft, diesmal ist eine Engländerin mit dabei.

27.08.2008 Mittwoch
26 km / 442 ^ 473 / 08:30 – 16:30 / La Roziére bis Montcuq

Strahlender Sonnenschein am heutigen Morgen. Bewaffnet mit einem Lunchpaket machen wir uns auf die Socken. Der Einkauf gestern zahlt sich aus, Christas neue Schuhe gehen gut und die große Zehe tut bei weitem nicht mehr so weh. Die Gegend ist Steppenartig, viele Holunderstauden und Sonnenblumenfelder säumen den Weg. Einige der Blumen sind von Pilgern oder Spaziergängern lustig „dekoriert“ und zeigen lachende Gesichter oder andere Zeichen. Neue Pilger sind unterwegs, viele altbekannte schon ausgestiegen. Baumgrillen zirpen unentwegt, sie lassen sich aber nicht fotografieren. Schleicht man sich an, verstummen diese Tiere plötzlich und sind nicht mehr auszumachen. Der Wind weht warm, so ca. 38 Grad soll es heute haben. Beim Picknick schreiben wir SMS an unsere Freunde und freuen uns beim Ablesen von erhaltenen Nachrichten. Zur reservierten Gite Le Souleillou steigen wir links ab, der Zaun mit etlichen ausrangierten Wanderstiefeln dekoriert, ist nicht zu übersehen. Der Wirt bietet uns einen hervorragenden erfrischenden Lavendelsaft an und zeigt uns anschließend unser Lager mit Terrasse. Ein französisches Paar sitzt beim Abenddiner mit am Tisch, die Frau spricht ein bisschen deutsch. Wir verstehen uns sehr gut. Eine neue Pilgerin kommt, gekleidet mit kurzen Hosen und Trägershirt, mann hat die einen Sonnenbrand. Die Beine, die Arme, der Brustansatz, alles total verbrannt. Die Herbergsfrau kümmert sich sofort um sie und trägt irgendwelche Pasten auf. Zum Abendbrot braucht sie nur noch Suppe. Ja, es ist schon wichtig, sich gegen diese Sonne zu schützen.

28.08.2008 Donnerstag
29 km / 805 ^ 790 / 09:30 – 18:45 / Montcuq bis St. Martin de Durfort

Ein Blümchen durfte ich heute Morgen aus dem Garten pflücken, meine Frau hat Geburtstag. Alle gratulieren herzlich, alles Gute! Deswegen und auch wegen Abschiedsbildern, kommen wir heute erst spät weg. Bei einem heißen Tag wie heute nicht so gut. Die Strecke und Landschaft ist aber schön, trotz einigem auf und ab. Sogar eine Seilführung hilft bedürftigen Wanderern. Einige Wälder schützen vor der Sonne und später wird der Seidenschlafsack als Schutz benützt. Über einen Hohlweg erreichen wir das auf einem Hügel gelegene Wehrdorf Lauzerte, welches im Hundertjährigen Krieg entstand. Auf dem Dorfplatz ist wenig los, die Geschäfte alle zu, tote Hose. Wir gehen also weiter und selbst eine Bank im Schatten eines Hauses gefällt Christa nicht. Zu heiß und ungemütlich hier, meint sie. Dafür finden wir dann einen schattigen Platz in einer Wiese neben einem Bach. Eine E-mail aus Rom hat uns erreicht, wird doch nicht der Papst sein? Absender unbekannt. Der Weg führt weiter an unzähligen Buxssträuchern und Brombeerstauden entlang. Immer wieder bleiben wir zum Naschen stehen. Sehenswerte, für diese Region typische Taubenhäuser stehen neben dem Weg, der sich zieht und zieht. Schließlich haben wir St.Martin de Durfort erreicht. Nur 6 Betten gibt es hier, aber wir haben reserviert und sind am Ende doch alleine. Zum Schwimmen im Pool fehlt uns die Muse. Duschen und dann zum Essen. In dem Herrschaftlichen Saloon wird lecker aufgetischt, Gänseleberpastete vom feinsten und Speck, dann einen riesigen Topf mit Muscheln, dazu Pommes, schließlich Salat, der übliche Käse und zum Abschluss noch Eis. Außer uns sind noch 4 Herren da, aber keine Pilger. Ein wunderschönes Abendrot rundet den Tag ab.

29.08.2008 Freitag
27 km / 291 ^ 369 / 08:45 – 19:00 / St. Martin de Durfort bis Pommevic

Ein nicht so guter Tag beginnt. Christas großer Zeh ist aber nicht das Übel. Durch die Übergröße des Schuhwerks, passen die Einlagen nicht ganz, sind zu klein und rutschen. Dadurch hat sich nun die kleine Zeh am anderen Fuß die Freiheit erlaubt, eine schmerzende Wasserblase zu bilden. Gestern war sie schon etwas damit geplagt, auch polstern brachte nicht den gewünschten Erfolg. Ihr Ziel ist Moissac, mein Traumziel Auvillar. Schon um 11:30 sind wir in Moissac, für mich klar wir gehen weiter. Erst mal aber machen wir eine ausgiebige Pause. Wir suchen einen schönen schattigen Platz, ich gehe einkaufen und komme bald mit allerlei köstlichen Dingen zurück. Sogar ein Eis leisten wir uns noch und besichtigen dann die eindrucksvolle romanische Kathedrale. Dann geht`s weiter, ich habe eine neue Herberge ausgemacht, die Wirtsleute würden uns an bestimmter Stelle auch abholen, steht im Führer. Christa ist überredet. Die Stadt verlassen wir aber auf dem falschen Weg, ca. 2 km Umweg, dann marschieren wir ewig am Kanal entlang. Auch hier verpassen wir die Abzweigung der Hauptroute, welche im auf und ab mit lohnenden Aussichtspunkten verlaufen wäre. Heute aber ist es so besser. Erstens tut jeder Schritt weh, zweitens brennt die Sonne wieder unbarmherzig auf uns nieder und hier auf dem Damm sind wir durch die riesigen Buchen doch geschützter. Neun Kilometer schleppen wir uns in monotonem Tempo, jeder mit seinen Gedanken alleine, am Kanal entlang. Plötzlich, was ist denn jetzt? Ein Baum fehlt. Einer der großen Buchen, die so viel Schatten spenden, ist nicht da, alle 10 Meter steht doch eine und jetzt nicht. So was fällt einem sogar dann auf, wenn man so gedankenverloren wie wir dahin wandert. Malause ist erreicht, hier an der Brücke steht die Nummer der Gite, anrufen und abholen lassen? Trinken, ratschlagen, doch weitergehen, wieder zurück, dann anrufen. Leider nicht erreichbar! Also weitergehen, wo? Am Damm entlang? Richtung Gite, aber wo ist die? Wir landen wieder auf dem Damm, ein zweiter Anruf wieder ohne Fortuna, alles egal. Ein „probender“ Pilger mit Auto fährt leider in die falsche Richtung. Der Weg erscheint uns endlos, Kanal, Buchen, Dammweg, Radfahrer und Rollerblader und wir stupide mittendrin. Aber es hilft nichts, das Telefon klingelt, sicher die Gite. Nützt uns jetzt auch nichts mehr. Dann eine Ortstafel, Pommevic steht drauf, dazu auch Gite und Hotel. Also rein in diesen Ort, wir finden eine schattige Bank, Christa darf ausruhen und ich gehe auf die Suche. „Gite? Nein weiß ich nicht“, ist die Antwort auf meine Frage. „Hotel? Ja, diese Richtung am Ende des Dorfes“. Ich düse los, buche ein Zimmer mit Halbpension und eile zurück. Für Christa war ich endlos lange aus, aber sie ist glücklich eine Übernachtung zu haben. Das Steak war nichts besonderes.

30.08.2008 Samstag
14 km / 253 ^ 222 / 09:15 – 15:00 / Pommevic bis St. Antoine

Die „kleine“ Tour gestern war eindeutig zu lang, heute wollen wir kürzer treten. Aber manchmal ist dies gar nicht so einfach. Es sollte auch zur richtigen Zeit das passende Quartier zu finden sein. Auf unserem Weg überschreiten wir die Garonne, die auf unserer jetzigen Etappe etwa die Hälfte des Weges darstellt. Relativ schutzlos sind wir heute der Sonne ausgeliefert, mit bis zu 40 Grad wird dies der heißeste Tag unserer Pilgerreise. Christas Rucksack habe ich heute etwas entlastet und sie hatte nichts dagegen. In der prächtigen Altstadt von Auvillar essen wir frisches Obst, begucken die schmucken Häuser und die kreisrunde Markthalle. Auf und neben Asphaltstraßen pilgern wir dann weiter, wieder neben großen Sonnenblumenfeldern und entlang an Brombeersträuchern. St. Antoine ist gegen 15:00 erreicht. In der Gite ist noch was frei, wir bleiben hier. Entspannen und Kräfte tanken, bzw. die Beine und Füße schonen. Nach und nach füllt sich die Herberge, so mancher Pilger tritt bei dieser Hitze kürzer. Neue Gesichter tauchen auf, aber auch bekannte. Und, wir glauben es kaum, Karl ist wieder da. Der Schweizer hatte sich bei Figeac so verlaufen, dass er in der gleichen Gite noch einmal nächtigen musste. Auch in Cahors hatte er Probleme, berichtete er, nun aber hat er sich einer kleinen Gruppe angeschlossen. Sehr kurzweilig verläuft der Nachmittag und auch das Abendessen. Zwei Schweizer Mädchen lernen wir kennen und ein deutsches Ehepaar, welches allerdings über Toulous zum Somport Pass weitergehen will. Auch ein Lebenskünstler, Dauerpilger oder Penner? Ist in diesem bunten Haufen vertreten. Sehr warm ist es auch noch am Abend, kein Wunder das sich später noch ein Gewitter entlädt.

31.08.2008 Sonntag
24 km / 615 ^ 524 / 08:15 – 16:30 / St. Antoine bis Lectoure

Schon früh sind wir aus den Federn, bevor alle Duschen und Waschbecken besetzt sind, ist es gut schnell zu sein. Der Himmel ist bewölkt, aber schon jetzt schwitzen wir ob der schwülen Luft. Christa ist frisch und fröhlich und gut unterwegs. Die schönen Wege führen oft neben der Straße auf einer Art Trampelpfad. Das heutige Ziel Lecture, haben wir gestern vom Schweizer Maderl reservieren lassen, es liegt mit 24 km in optimaler Entfernung. Mit der Überquerung der Garonne sind wir in der Region Gascogne angekommen, der Heimat D `Artagnans aus „die drei Musketiere“. In dieser Gegend wird neben Mais und Getreide vor allem Wein angebaut. Bekannt ist besonders der Branntwein, der Armagnac. Es ist schön und interessant zu sehen wie die Landschaften und Kulturen wechseln, eines aber blieb bis jetzt gleich. Die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Franzosen. Wir sitzen in der Wiese mit Blick auf Lecture, deren Kathedrale einen imposanten Turm aufweist. Die Eggers (Freunde) sitzen gerade auf dem Hohen Göll, erfahren wir per SMS. Einige Radlpilger mit Gepäcktransport sprechen uns an, in der Gite treffen wir wieder alte Bekannte. Das Abendessen nehmen wir im Freien ein, die Schweizerin und Robért gesellen sich zu uns. Es wird ein lustiger Abend, den Höhepunkt stellt die Übersetzung eines Gedichtes von Heinz Erhard ins französische dar (Die drei Bären).

01.09.2008 Montag
28 km / 461 ^ 530 / 08:00 – 16:00 / Lectoure bis Condom

Wieder stehen wir früh auf, Frühstück müssen wir selber machen, das ganze Haus ist in Bewegung. Gut das wir nur ein Sechsbettzimmer haben. Die Wäsche ist über Nacht gut trocken geworden, braucht also nicht am Rucksack zu hängen. Das Wetter ist angenehm, auch wenn es mal kurz regnet. Es geht gut voran, die Landschaft gleicht der von gestern, man sieht die gleichen Leute immer wieder, begrüßt sich nett und verabschiedet sich mit A plus tard (bis später) oder A bientôt (bis bald). Manchmal frage ich mich schon, warum wir das eigentlich tun, Tag für Tag zu gehen mit einem Rucksack auf dem Rücken, gibt es nicht`s schöneres? Besseres? Im Süden am Strand zu liegen vielleicht? Die Antwort ist aber immer wieder nein! Die Erfahrungen die man hier macht, sind einfach schön. Man erlebt die Natur, die Menschen, sich selber und das alles sehr intensiv und immer wieder neu. Bei einem Deutschen Quartierbesitzer haben wir uns heute angemeldet in der Stadt Condom. Hier wollen wir auch neue Schuhe kaufen, sollte es regnen, sind die „Sandalen“ nicht mehr geeignet und wieder in die anderen Schuhe zu steigen, ist unzumutbar. Es ist schön mit Roland und zwei Pilgerfrauen deutsch plaudern zu können. Roland hatte uns zudem für morgen wieder bei einem Deutschen einquartiert, wir sagen nicht nein. „Ein Schuhgeschäft? Im Gartencenter findet ihr sicher das richtige, meint Roland, bis dahin sind es aber gute 2 km zu laufen“. Später fällt ihm ein, sowieso in diese Richtung zu fahren und er nimmt uns mit. Wir gehen zur Post, packen die alten Schuhe und ein paar andere Kleinigkeiten ein und schicken diese nach Hause. 15 Minuten hat Christa Zeit, die passenden Schuhe zu finden, dann fährt er wieder zurück. Gesagt, getan, gleich die ersten die sie sieht, „springen“ sie an und passen auch noch. Noch schnell in ein paar andere geschlüpft, nein der nicht und der auch nicht. Auch ein paar Flip-Flop werden eingepackt und dann raus aus dem Laden. Alles hat wunderbar geklappt. Das Abendessen ist wieder sehr üppig. Wir versorgen uns selber und haben mit Hunger eingekauft.

02.09.2008 Dienstag
29 km / 589 ^503 / 09:30 – 18:30 / Condom bis Lamothe

Noch einmal besichtigen wir die gotische Kathedrale St-Pierre von Condom und treffen wieder auf bekannte Gesichter. Es ist immer wieder schön, lieb gewonnene sympathische Menschen zu treffen. Die heutige Landschaft ist sanft hügelig und abwechslungsreich. Wir haben heute vor, kulturell unterwegs zu sein, es wird empfohlen das befestigte Dorf Larressingle (Burgcarakter) und die Ausgrabungsstätte von Sèviac zu besichtigen. Ich bin sauer, denke, die Abzweigung zur Burg übersehen zu haben. Christa ist mit ihrem neuen Schuhwerk flott losmarschiert, ich studierte noch eine Schautafel und muss ihr dann nachlaufen. „Die Burg muss man sehen, dort unten wäre es wahrscheinlich weggegangen“ wettere ich, umkehren will ich aber auch nicht. Eine Truppe bekannter Pilger holt uns bei einer Trinkpause ein. Angesprochen ob meines Schicksals, sagen sie mir tröstend „die Burg kommt erst, wir gehen auch hin“. Ich bin wieder ruhig und froh. Noch völlig intakt präsentierten sich die Gemäuer und der Burggraben, es wäre wirklich Schade gewesen, dies nicht zu sehen. Meine Frau hingegen ist noch mehr begeistert von den Ausgrabungen von Sèviac. Dort befand sich ein riesiges römisches Bad mit tollen Mosaiken, die über 30 Jahre von freiwilligen Helfern in mühevoller Kleinstarbeit freigelegt wurden. Auch damals gab es schon eine Bodenheizung, das System funktionierte ähnlich wie ein Kachelofen mit Schamottzügen. Besichtigungen kosten Zeit, jetzt mussten wir Gas geben. Und Christa stieg so richtig in die Zügel. Wie zu den besten Zeiten auf dem Schweizer Jakobsweg zusammen mit Mirjam, durchschritt sie Weinfelder, Wald- und Wiesenwege und den Abschnitt der alten Gleisstrecke, die hier verlief. Beim Dorf „Christa“ hupt uns ein Auto an, der Fahrer weiß vermutlich dass meine Frau so heißt. Gegen 18:30 erreichten wir die neue Gite von Fritz. Der rechnete bereits nicht mehr mit unserem Kommen, freute sich dafür um so mehr, für uns noch kochen zu dürfen. Einige Geschichten gab er zum Besten, besonders auf den deutschen Staat hatte er sich eingeschossen. Läuft die Gite, will er diese verpachten und nach Jerusalem pilgern. Roland ist wegen einer Frau hängen geblieben, Fritz will einfach aussteigen.


03.09.2008 Mittwoch
30 km / 530 ^548 / 08:30 – 18:00 / Lamothe bis Nogaro

Auch beim Frühstück erzählt Fritz kurzweilige Geschichten, auch traurige. Sein treuer Gefährte ist im Frühjahr gestorben, 10 Jahre hatte ihn der Vierbeiner auf seinen Wanderungen begleitet. Christa hat heute wieder leichte Probleme, kommt bei schönem aber schwülem Wetter nicht so richtig in die Gänge. Eauze erreichen wir gegen 11:00 und decken uns dort mit Lebensmitteln ein. An vielen Fischzuchtteichen wandern wir dann weiter bis Manciet. Hier an der Kirche heißt es, Wasser nachzufüllen, bis Nogaro gibt es nichts mehr. Ich will ein Bild machen wenn Christa auf der Brücke die Hauptstraße überquert. Gesagt, getan, ich springe hinterher und Sch….. mein Knie! Ich kann kaum noch laufen, den Fuß nach vorne bewegen, wie damals in Rattenberg schießt es mir durch den Kopf. Ich humple zur Kirche, sage Christa nichts von meinen Schmerzen und umrunde das Gebäude in der Hoffnung auf Besserung. Wird auch leichter, aber trotzdem. Beim Wasserfüllen schlucke ich gleich mal zwei Voltaren, bloß keine Entzündung ins Knie bekommen! Auf dem Weiterweg höre ich besorgt in mein Gelenk hinein, vermeide so gut es geht bestimmte Bewegungen. Große Angst ist da, aufhören zu müssen. Nogaro, dieser Ort ist bekannt durch seine Autorennstrecke. Schon von weitem hört man die Motorengeräusche. Aus diesem Grunde haben wir auch etwas außerhalb unser Quartier gesucht. Das bedeutet aber gleichzeitig noch ein paar Kilometer mehr laufen zu müssen. Zwei Wegverfehlungen meistern wir recht gut, einmal mit Hilfe eines freundlichen Autofahrers. Die Herberge ist sehr sauber und ordentlich, das Abendessen festlich an großer Tafel mit 8 anderen Pilger/innen, darunter auch ein älteres deutsches Ehepaar aus Dortmund. Die Klospülung funktioniert nicht, meint Christa mitten in der Nacht. Ich muss sowieso und schau mir die Sache dabei an. Kurz auseinandergebaut, einen Wechsel aufgedreht und schon ist alles wieder weggespült.

04.09.2008 Donnerstag

23 km / 252 ^ 306 / 08:30 – 16:00 / Nogaro bis Aire-sur-l´Adour

Schon gestern Abend war die Rede von einer Abkürzung von 5 km für die heute wieder sehr lange Etappe. Wir erkundigen uns etwas genauer und verlaufen uns dann prompt, bevor wir die Abkürzung erreichen. Mein Orientierungssinn ist nun gefragt, ohne umkehren zu müssen meistern wir diesen Fehler. Trotz kurzem Regen ziehen wir uns nicht um, die Kleidung ist auch bald wieder trocken. Die Gegend ist relativ flach und sieht ungefähr wie bei uns Zuhause aus, wir kommen gut voran. Schließlich ist die Stadt mit ihrem unaussprechlichen Namen (Aire-sur-l´Adour) erreicht, wir gehen auf Quartiersuche. Es ist schon komisch, reservieren wir vorher, ist nicht viel los, reservieren wir nicht so wie heute, scheint alles ausgebucht zu sein. Aber eine nette Herbergsmutter sieht es als ihre Pflicht an, sich um uns zu kümmern. Zwei Telefonate und es ist gebongt. „Zum Ortsrand und etwas den Berg hoch“ lautet die Anweisung. Die Gite mit einem sehr „deutschen“ Franzosen (Kontrollzwang) ist schnell gefunden, Getränke werden gereicht und für jeden ein Eimer Wasser für die Füße gebracht. Waschen müssen wir sie selbst, aber auch so ist dieses Angebot sehr wohltuend. Das junge deutsche Ehepaar, das mir mein verlorenes T-Shirt nachgetragen hat, wohnt heute auch hier. Sie müssen morgen aussteigen wie schon so viele die wir kennen gelernt haben. Die Mehrzahl ist so ca. 2 Wochen unterwegs. Der Pilgerausweis ist voll, eine Seite einkleben? Nein, meint unser Wirt, in der mächtigen Abteikirche Ste-Quitterie ist jeden Tag Pilgertreff, dort werden auch Pilgerpässe ausgegeben. Wieder einmal sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort, so ganz von selber lösen sich Dinge wenn man es nur zulässt. Die Kirche selber wird gerade restauriert und zählt zu den feinsten auf unserem bisherigen Weg.

05.09.2008 Freitag
27 km / 449 ^ 332 / 08:00 – 16:30 / Aire-sur-l´Adour bis Pimbo

Ein Wahnsinnsmorgenrot erfreut uns zum Frühstück. Ganz genau waren für jeden die Brote abgezählt. Abschied von den Deutschen. Auf unangenehmen Schotterstraßen pilgern wir bei warmen Wetter los. Leichte Verwirrung bei einer größeren Straßenbaustelle, irgendwie kommen wir schon durch. Wir halten uns exakt an die Wegweiser, der Abkürzung trauen wir nicht so recht. Endlose Maisfelder säumen den staubigen Weg, es gibt kaum Schatten. In Miramont-Sensacq schließlich, sehen wir zum ersten Mal die Pyrenäen was schon ein besonderes Gefühl in uns hervorruft. Unser Ziel kommt näher, noch ca. 1 Woche zu gehen, die Spannung steigt wieder. Im Führer ist die heutige und die nächsten Etappen mit 30 km und mehr ausgeschrieben, das wollen wir nicht. Ich habe eine andere Routenplanung erarbeitet mit ungefähr 25/26 Kilometern. Hoffentlich klappt dabei die Übernachtung. Pimbo habe ich für heute auserwählt, ich ahne nichts gutes ob der wenigen Betten. Meine Frau aber lässt sich nicht beirren und frägt in der Gite kommunal nach. Alles klar, es sind noch Betten frei. Proviant im Gemeindehaus gekauft, sonst gibt es kein „Gschäfterl“, frei nach Hape Kerkeling. Die Betten in dem modrigen Raum stellen sich später als „Hängematten“ heraus, der Schlafgenuss war bescheiden. In der sauberen Küche gibt es Nudeln mit Ente und Gemüse. Auch die 4 französischen „Mitbewohner“ bearbeiten die Herdplatte. Mahlzeit.

06.09.2008 Samstag
26 km / 527 ^ 631 / 09:00 – 17:00 / Pimbo bis Pomps

Gestern schon war zu erkennen, dass das Wetter schlechter wird. Es regnet ganz schön. In die Regenklamotten gehüllt stiefeln wir los, die Gegend wird hier am Rande der Pyrenäen wieder etwas hügeliger. Sehr eindrucksvoll steht die Chapelle Sensacq inmitten grüner Wiesen. In ihrem Inneren sehen wir sogar einen Raum, der für eine notdürftige Unterkunft herhalten würde, sofern man keine Stauballergie hat. Das Wetter wird gegen Mittag besser, kurz gekleidet laufen wir bis zum Quartier, das diesmal ein großer Container mit 12 Betten ist, weiter. Toiletten und Duschen sind in der Sporthalle. Nicht weit von der Gite betreibt ein Bauer einen sehr schönen Naturladen und bietet auch sonstige alltägliche Lebensmittel an. Zwei Bekannte speisen gerade eine kalte Platte, die sehr appetitanregend aussieht. Schnell sind wir überzeugt, das gleiche haben zu müssen. Fast zu viel des Guten, erfahren wir wieder einmal. Beide gehen wir schon früh ins Bett und schlafen auch bald.




07.09.2008 Sonntag
27 km / 480 ^ 502 / 08:00 – 16:30 / Pomps bis Sauvelade

Warmer Tee, Baguette, Butter und Marmelade, das tägliche Frühstück, diesmal wieder selber „gekocht“. Schon um acht verlassen wir unseren Container. Nach 30 Minuten beginnt es zu regnen, schnell unter einen Baum und umgezogen. Vorbeigehende Ponchoträger belächeln uns ob der umständlichen Bekleidung. Die Pyrenäen sind auch heute nicht zu sehen, zu trübe ist das Wetter. Gegen 11:00 erreichen wir Arthez-de-Béarn, kaufen wieder Brotzeit und gönnen uns einen leckeren Sonntagskuchen. Nach dem Mahl hat es sogar aufgehört zu regnen, munter marschieren wir weiter. Die Gascogne haben wir verlassen und bewegen uns jetzt im französischen Baskenland. Hier gibt es doppelt beschriftete Schilder an den Dörfern, französisch und baskisch, die Basken haben ihre eigene Sprache und eigene Kultur erhalten. Das Baskenland liegt auf beiden Seiten der Pyrenäen auf spanischem und auf französischem Boden. Woher die Ursprünge des Volkes kommen, ist immer noch im Verborgenen. Die Sprache hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit einer anderen in Europa. Irgendwann erreichen wir Sauvelade, bei der Abtei, gegründet von Benediktinern, befindet sich unser Quartier. Die Abteikirche hat die Form eines griechischen Kreuzes und wurde schon im Jahre 1286 gebaut. Unterwegs ist ein Pilger sehr dankbar, von unserem Getränkevorrat etwas abzubekommen, ein Liter ist halt sehr wenig auf diesen Strecken. Die Gite ist sehr sauber, wir ziehen in ein Doppelzimmer und machen es uns auf der Terrasse gemütlich. So nach und nach kommen immer mehr schon bekannter Pilger hierher zum nächtigen. Es ist aber niemand da, der Auskunft geben könnte über Abendessen, Einkauf, Frühstück und so weiter. Wir verzehren unser Brot mit Schokolade, andere gehen auf Erkundung, aber es gibt nichts in dieser Gegend. Dann kommt plötzlich eine Dame aus dem Chambre einen halben Kilometer entfernt und hört sich unsere Lage an. Kurzerhand düst sie wieder ab und kommt darauf mit Pilgerstempel und Naturalien wie Eiern und Tomaten wieder. Das Abendbrot für so manche ist gerettet. Gegen 21:00 dann plötzlich lautes Gezetter im Hause, die Gitebesitzerin ist da und regt sich auf, dass eine schlechte Bewertung in das Gästebuch geschrieben wurde. Wer war das!? Christas Zeh blutet leicht, zudem hat sie Halsschmerzen und erhöhte Temperatur. Dank genommener Medikamente ist das Fieber am Morgen wieder weg.


08.09.2008 Montag

30 km / 644 ^ 616 / 08:00 – 17:00 / Sauvelade bis Aroue

Ich habe im Führer gelesen, die letzte Etappe ist nicht St.Jean-Pied-de-Port, sondern Roncesvalles. Schon ein paar Tage schleppe ich dieses Geheimnis mit mir herum. Meine Recherchen ergeben auch, dass wir Pied-de-Port schon am Mittwoch erreichen müssten. Die Enthüllung dieser Planung trifft aber leider zum falschen Zeitpunkt bei Christa ein. „Was, du willst noch weitergehen und noch dazu 25 km bei über 1300 hm“? „willst du mich aufarbeiten“? war ihre Reaktion. Erst nachdem sie selber alles nachlesen konnte, beruhigte sich ihr Gemüt wieder. Toller Morgen, ich will voller Elan loslaufen, kann aber nicht, meine Partnerin braucht erst einige Zeit bis sie auf Touren kommt, ist halt so. Mal fällt es mir leicht Rücksicht zu nehmen, mal etwas schwerer. Wir haben ein gemeinsames Ziel und das wollen wir zusammen erreichen. Erst in Navarrenx können wir einkaufen und unsere Vorräte wieder auffüllen. Am Montag hat typischerweise nur ein Bäcker und ein Metzger auf, den gilt es erstmal zu suchen. Auf den Dorfplatz machen wir Brotzeit und beobachten einen Radlpilger. Navarrenx ist eine sehr wehrhafte alte historische Stadt mit zahlreichen wuchtigen militärischen Befestigungsanlagen. Viele kleine Bachläufe säumen später den langen Weg bis Aroue, satte Weiden wechseln sich ab mit Maisfeldern und kleinen Wäldern. Nach der Pause läuft es bei Christa wieder wunderbar. Der Bauernhof den wir ausgesucht haben, sieht von außen etwas abenteuerlich aus. Eine Norwegerin die sich beim Einstandstrink zu uns gesellt, äußert sich etwas irritiert über die äußeren Gegebenheiten. Uns macht dies alles nicht viel aus, haben ja auch schon einiges erlebt. Die Räume aber waren sehr sauber und das Diner am Abend konnte sich sehen lassen, es war das Beste seiner Art nicht nur wegen der sehr herzlichen Bewirtung. Der Radlfahrer von heute Mittag ist Gast in unserem Zimmer, nett, aber eine Art „King“. Noch vier Französinnen und ein kanadisches Paar sind zugegen. Es wird immer internationaler. Nach dem Abendessen ist große Pilgerausweisschau. Wer hat wo genächtigt und wie lange ist man schon unterwegs. Sehr interessant.



09.09.2008 Dienstag

24 km / 776 ^ 734 / 08:30 – 16:40 / Aroue bis Ostabat

Die sechs bis acht kleinen schwarzweißen Babyhunde sind natürlich schon lange wach, als wir aus den Federn kriechen. Sehr unterhaltsam sind sie gestern zu unserer Freude herumgetobt. Frühstück, neben Käse und Speck werden auch Eier ange- boten. Sogar eine Brotzeit ist in diesem günstigen Preis inbegriffen, klar dass wir hier etwas nachbessern. Eine herrliche Strecke liegt vor uns, plätschernde Bäche mit alten Brücken darüber und ein mit Felsen durchwachsener Aufstieg nach Hiriburia. Dort steht der „Stein von Gibraltar“, ein Gedenkstein der auf das Zusammentreffen von drei Jakobuswegen hinweist. Dann folgt ein steiler steiniger Prozessionsweg bergan bis zur Chapelle de Soyarza, mit wunderbarem Panoramablick auf den Pyrenäenkamm. Das Wetter heute ist optimal dafür, obwohl der Wind hier oben ziemlich pfeift. Wir fühlen uns glücklich und grenzenlos frei. War vorher ein ziemlicher Trubel, eine geführte Truppe und die üblichen Verdächtigen, ist nun Ruhe eingekehrt, die wir in vollen Zügen genießen. Fremdartige baskische Denkmäler erzählen während des Abstieges von alten Zeiten. Weiter pilgern wir durch die wunderschöne Landschaft nach Ostabat, diese Stadt konnte früher über tausend Pilger beherbergen. Unser Quartier liegt etwas außerhalb, die Ferme Gaineko-Etxea. Hier treffen wir wieder auf all die Pilger von gestern Abend. Alles sehr, sehr sauber. Beim Abendessen eine Überraschung, erst eine Ansprache, dann ein aus voller männlicher Brust geschmettertes baskisches Lied. Gänsehaut. Man was hat der für einen Tenor. Später singen wir noch alle zusammen einen Canon – Meister Jakob – wie das passt. Es wird viel gelacht dabei, wie eigentlich die Stimmung abends, immer sehr gut war.


10.09.2008 Mittwoch

21 km / 619 ^ 541 / 08:45 – 15:00 / Ostabat bis St. Jean-Pied-de-Port

Ganz nah sind wir schon an den Bergen, aber erst ab St.Jean-Pied-de-Port geht es dann steil hoch. Heute haben wir es nur mit sanften Ausläufern zu tun. Ein prächtiges Panorama mit Sonnenaufgang lässt uns das gute Frühstück unterbrechen. So nach und nach verlassen die Pilger nach herzlicher Verabschiedung vom „Sänger“ das Haus. Viele hören nach dieser Etappe auf, einige gehen bis Santiago de Compostella weiter. Ein wunderschöner Wandertag ist heute, die Gegend zeigt sich immer wieder im neuen Kleid, die Leute sind gut drauf und es ist spannend. Wann werden wir wohl die Stadt erblicken, wie wird sie aussehen, sie die Stadt, die als Sammelbecken für die Spanienpilger gilt. Neugierig ist auch die einzige Kuh im Umkreis, sie beäugt uns genau und kommt immer näher. Wir sitzen nämlich gerade auf Hackstöcken und machen an sonniger Stelle Brotzeit. Gerade rechtzeitig, bevor sie unsere Rucksäcke erreicht, sind wir fertig und machen uns auf den Weiterweg. Einige Straßen sind zu überqueren, Fahrzeuglärm zu hören. Der Weg führt durch ein Tor, es ist die Stadtmauer und wir stehen plötzlich mittendrin im pulsierenden Herzen der Stadt. Es war schon überraschend, ohne vorher eine Ahnung zu haben, ist man plötzlich da. In der Info, Vielsprachig, bekommen wir einen Pilgerstempel, viele suchen nach Quartieren, wir haben schon eines, etwas außerhalb wie wir später dann erfahren. Wir haben Zeit, schlendern die Rue de la Citadelle hinab und erreichen die gotische Kirche Notre-Dame-du-Bout-du-Pont, wo der Kirchturm gleichzeitig Turm des Brückentores ist. Beeindruckend empfinden wir die vielen Kerzen die hier brennen. „Unsere“ Straße finden wir nicht, naiverweise haben wir keinen Stadtplan dabei. Ich laufe zur Info zurück und lasse mir unsere Gite in den Plan zeichnen. Auch so noch haben wir kleinere Probleme, die an exponierter Stelle stehende, neugebaute Herberge zu finden. Exzellent sind die Räume, ein Handwerker werkelt noch an Schiebetüren des Aufenthaltraumes. SMS schreiben, duschen, einrichten, dann einkaufen, wir versorgen uns selber, zu schön ist es hier. Der Ausblick ist wunderbar. Die Norwegerin und die Canadier sind auch hier, erstere will sich morgen anschließen, hat etwas Respekt vor dem Pass den sie früher schon einmal gegangen ist.


11.09.2008 Donnerstag
25 km / 1398 ^ 728 / 08:00 – 15:45 / St. Jean-Pied-de-Port bis Roncesvalles

Was wird uns heute erwarten, wir freuen uns auf den Aufstieg, die Norwegerin hat doch abgesagt, hat Heimweh, will nach Hause. Um uns ist noch Nebel als wir starten, das bleibt noch eine Weile so. Erst als wir an Höhe gewinnen, wird es lichter und es wird der Blick frei in die Bergwelt der Pyrenäen. Gigantisch, der Nebel erlaubt immer wieder neue Ausblicke. Pilger sind an Mass unterwegs, ob wir da heute eine Übernachtung kriegen? Vorbestellen ist nicht mehr, Roncesvalles liegt schon in Spanien, da gelten andere Regeln. Die Route Napoleon zieht sich immer höher, mal als Teerstraße, dann wieder als breiterer Steig. Beim Felsen mit der Statue Vierge de Biakorri machen wir die erste Rast. Bis ich zum Fotografieren komme, zieht wieder Nebel auf. Dieser verdichtet sich beim weitergehen mehr und mehr. Teilweise sehen wir höchstens noch 5 bis 10 Meter. Der Pfad den wir wählen wird schmaler und schmaler, bis fast nichts mehr übrig bleibt. Umkehren? „Ich schau ein Stück weiter, bleib du hier, ich komm gleich wieder“. Und weg bin ich, da unten ist doch was, denke ich mir. Zum runtersteigen erscheint es mir hier aber zu gefährlich, also noch ein Stück nach vorne. Dann wirklich, da unten ist ein breiter Weg und? Tatsächlich, auch das Zeichen. Schnell zurück geeilt auf demselben Weg. Christa sehe ich schemmenhaft stehen, weiter darunter bewegen sich andere Pilger. Ich rufe, „folge den Leuten“ sehe wie sie vorwärts geht, mache noch ein Foto und düse wieder ab. Ich warte, die anderen Pilger kommen, ich warte, Christa kommt nicht. Ich gehe ihr entgegen, rufe, rufe abermals, höre nichts, sehe nichts. Noch weiter zurück, endlich sehen wir uns wieder. Aufgelöst berichtet sie, sie hätte gewartet und plötzlich war ich wieder weg. Mein Zurufen hatte sie überhaupt nicht gehört, der Nebel schluckte alles. Alles wieder gut, nix passiert, Gott sei Dank. Nicht viel weiter passieren wir den Ronaldsbrunnen und die Grenze der Provinz Navarra. Riesige gelbe Schilder zeigen hier den Weg an, ob des Nebels auch gut so. Viel niedrigen Eichenwald durchschreiten wir beim weiterwandern, der Untergrund ist zum Teil sehr schlammig, hat wohl auch geregnet hier. Bei der Brotzeit, überholte Pilger ziehen wieder vorbei. Steil ist der Abstieg zum Kloster, aber doch gut zu gehen. Es beginnt zu nieseln, Roncesvalles ist aber bald erreicht. Unter einem Torbogen warten bereits einige Pilger auf Einlass, im Warteraum sitzen noch mehrere, hundert Betten sind aber schon viele, wird schon eines für uns dabei sein. Punkt 16:00 Einlass. Jeder wird registriert, bekommt einen Pilgerstempel, dann ab ins mächtige Gemäuer. Inzwischen hat es so richtig zu gießen begonnen, ein grässliches Wetter. Ein kirchenähnlicher Saal, gute 6 Meter hoch mit Steinen gemauert, lädt mit 50 Stockbetten die Leute zum Übernachten ein. Ehemalige Pilger erklären die Regeln, Meditationsmusik gibt dem ganzen einen überaus harmonischen Charakter. Keine Hektik ist zu spüren, wir wollen alles gar nicht glauben. Um 19:00 gibt es in der nahen Gaststätte für 9 Euro ein Pilgermenü. Suppe, Fisch mit Pommes und eine Nachspeise. Um 22.00 gehen alle Lichter aus, wir schlafen gut.

12.09.2008 Freitag

25 km / 728 ^ 1398 / 08:45 – 16:45 / Roncesvalles bis St. Jean-Pied-de-Port

Um sechs Uhr werden die Lichter eingeschaltet, es regt sich was, wie die Ameisen kommen die Leute aus ihren „Löchern“ hervor. Wir bleiben noch liegen, blinzeln dem ruhigen Treiben zu, keine laute Worte, nur rascheln und Geflüster. Wir müssen umkehren, haben beschlossen wieder zurück zu gehen, nicht mit dem Taxi zu fahren, wie es ursprünglich meine Idee war. Christa hat mich überzeugt, es ist schöner zu laufen. Zudem hoffen wir auf eine bessere Sicht am heutigen Tag. Wie ist das Wetter? Es regnet noch. Nach dem Frühstück hat es aufgehört, es wird etwas lichter. Aber zu weit kommen wir nicht, dann nieselt es wieder. Weiter oben sind wir dann wieder im Nebel und es wird immer kälter. Handschuhe und Stirnband können wir gut gebrauchen. Die Schafe, die Pferde, die Bäume, alles im Nebel. Trotzdem sind wir gut drauf, das gestrige Erlebnis, überhaupt alles, war sehr sehr schön. Wann werden wohl die ersten Pilger kommen? Sind bekannte Gesichter darunter? Wir sind gespannt. Unter den ersten kommt uns Karl entgegen, der schaut ganz verdutzt, da wir in die falsche Richtung gehen. Die Freude ist bei allen groß, klar werden gute Wünsche ausgesprochen. In dem Strom der uns dann entgegenkommt, immer wieder Leute mit denen wir schon Kontakte hatten, es wird eine richtig schöne herzliche Abschiedstour. Je weiter wir raus- und runterkommen, wird auch die Sicht wieder besser. Waren gestern auch so viele Schafe da? Oder nur im Nebel versteckt. Wir übernachten wieder im schon bekannten guten Quartier, kaufen unser Abendessen im Supermarkt und treffen auch da wieder Bekannte. Eine schöne Aussicht in die Berge haben wir heute nicht, das Wetter wird schlechter, es beginnt zu regnen. Rucksack entrümpeln, was ziehen wir morgen an? Erst um 8:00 müssen wir aufstehen, frisches Brot kaufen, alles andere haben wir schon. Gute Nacht.

13.09.2008 Samstag
09:00 – 24:15 Heimreise / St.Jean-Pied-de-Port / Bayonne / Toulouse / Amsterdam / München / Edling

Gemütliches Frühstück, nochmal Rucksack aus-und einpacken, dann warten wir auf unseren Taxifahrer. Der Herbergsvater fährt uns runter zum Bahnhof, wir nehmen wegen des starken Regens gerne an. Zeitig sind wir am Bahnhof, die Karten hatten wir am Donnerstag schon gekauft. In Bayonne umsteigen, eine gemütliche und lange Fahrt nach Toulouse wartet auf uns, dabei kommen wir auch in Lourdes vorbei. Komischerweise werden wir diesmal nicht so schnell müde, wie die letzten Male, trotzdem macht jeder ein kurzes Nickerchen. In Toulouse finden wir schnell den Busbahnhof der Bus bringt uns zum Flughafen, hier haben wir 45 Minuten Verspätung. Keine Tragik, der Aufenthalt in Amsterdamm wird somit nicht ganz so lange. In München dann die Enttäuschung, unsere Rucksäcke mochten noch nicht mit. Die werden in ein bis zwei (drei) Tagen geliefert, war die Auskunft. Die Filme sind darin, war unsere hauptsächliche Sorge. Hoffentlich… Stefanie wartet schon, herzliches Wiedersehen und bringt uns heil nach Hause. Am nächsten Tag dann, es war ja schon Mitternacht, warten alle auf unsere Erzählungen. Auch Tante Rosi aus Amerika ist da.

Fazit: Viel erlebt, neue Freunde, ein bisschen Stolz,
wir würden es sofort wieder machen, das sagt
wohl alles! Die Rucksäcke sind auch heil zurückgekommen!
Auf nach Spanien

 
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