Giazza - Caoria - Wandern so lange der Urlaub reicht

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Rom - Edling

Giazza   -  Rif. Fraccaroli        „Suite auf dem Cima Garega“


Die erste große Bergetappe steht heute an, wir freuen uns darauf. 5 km geht es aber erstmal auf Teerstraßen dahin, bis ein riesiger Parkplatz kommt. Hier stehen ein paar Wohnmobile und es zeugen viele Feuerstellen von der guten Nutzung dieser schönen Landschaft – und das alles kostenlos. Den Naturpark Lessina hinter uns lassend, tauchen wir wieder ein in die Natur, bis zum Rif. Scalorbi begegnet uns kein Mensch. Die markant eingeschnittenen Schlucht links von uns wird immer enger, Felsstufen erleichtern das Vorwärtskommen. Eine große grüne Mulde tut sich vor uns auf, links oben zieht sich eine Forststraße hin, die von vielen Menschen begangen wird, rechts pfeift ein Murmeltier. Dieser Brocken ist gar nicht scheu und lächelt in die Linsen unserer Kameras. Fehlt nur noch, dass er die Hand aufhebt. 20 Euro zahlen wir für je eine Cola und Spagetti mit Fleischsoße, „die wissen was sie verlangen müssen“. Christa geht es nicht gut beim weiteren Anstieg, die rot-weisse Markierung ist weg. Ein Blick in die Karte zeigt aber, auch dieser Weg führt auf den Cima Carega. Wunderschön, blauer Himmel, weiter Blick auf die Berge und Täler. Der Steig ist schön dem Gelände angepasst und verläuft nicht zu steil zur Bocchetta Mosca, hier treffen wir auf den morgigen Abstiegsweg. Weite Kehren werden sichtbar, oft mit "Abkürzern" verbunden, dass tun wir uns aber nicht an. Ein älterer Wanderer mit nacktem Oberkörper und kaputten Schuhen (das Leder bröckelt), hat uns anschaulich gezeigt, dass man damit keinen Vorteil hat. Schritt für Schritt in gleichmäßigem Tempo steigen wir immer höher, unterbrochen nur mit gelegentlichen Fotostopps. Dann haben wir es geschafft, die Hütte ist erreicht. AufgerollterStachel- draht und Schautafeln erinnern an Kriegszeiten. Etwas deutsch spricht der Wirt, macht ihm auch Spaß. Ob er eine Suite hätte, frage ich, nach kurzer Überlegung lacht er und meint; "natürlich, folgt mir". Im Lager sind zweimal zwei Betten durch eine Schiebetür abgetrennt, eine davon ist unsere "Suite". Traumhaft, wir sitzen in der Sonne und genießen. Der aufkommende Wind tut uns noch nichts, wir beobachten wie sich der Horizont verfinstert. Beim Abendessen dann stürmt es richtig los, der Regen peitscht an die Fenster und der Wind pfeift um die Ecken. Es wird eisig kalt, jetzt möchte ich nicht mehr unterwegs sein. Sicher auch nicht die etwa 12

Italiener/innen die mit uns in der Stube sitzen. Erst am nächsten Tag denkt der Wirt ans einheizen, etwas sehr spät, aber mit Pulli und Strumpfhose hält man es schon aus....

Rif. Fraccaroli  –  Albergo Al Passo    „jedes Kreuz ein Soldat“             


Den gestern vermiedenen Gipfelaufstieg, wir waren doch sehr geschafft und wollten auch nicht nochmal die Schuh anziehen, holen wir heute nach. Mit Stirnband und Handschuhen bewaffnet - es ist saukalt -, steigen wir bei traumhafter Sicht nach oben. Der Gardasee und Berggipfel so weit man sehen kann und dass ist sehr weit. Wie die wohl alle heißen mögen? Der Weg zurück führt wieder am steinernen Löwen vorbei, welcher von der Kriegszeit übrig geblieben ist. Zwischen Cima Carega und Monte Obante führt eine kleine Lücke durch die Felsbarriere, von hier führt der Abzweig zum Rif. Campogrosso, unser heutiges Ziel. Beim Übergang überraschen uns ein paar in den Fels gehauene Höhlen, es sind ehemalige Kriegsstellungen. Mich schaudert beim Gedanken an diese Zeit, noch mehr als wir beim Abstieg viele Steine mit rotem Kreuz sehen. Jeder dieser Steine bedeutet den Tod eines Soldaten. Der Abstieg hat es in sich, eine hohe Konzentration ist geboten, besonders die Kombi- nation von feinem Schotter auf Fels, will vorsichtig begangen werden. Ein riesiges langes Schuttkar führt neben dem Steig ins Tal, darauf zwei Männer. Der mit Stöcken tut sich leicht, der andere fällt immer wieder mal zu Boden. Das probiere ich auch, gedacht, getan. Ging auch ganz gut, solange tiefes Geröll da war, bei weniger tiefem ist "die Ausrutschgefahr" wieder höher. Es strengt aber auch sehr an und geht in die Knie. Kurz vorm Campogrossopass stehen wir wieder vor einem Felsengewirr, das im Kriege in die Luft gesprengt und zerbomt wurde. Am Pass wollten wir eigentlich eine Kaffeepause machen, aber; angeleinte Hunde jaulten und bellten ganz erbärmlich, während es sich die Herrchen gut gehen ließen. Aber auch die vielen Menschen hielten uns davon ab. Stattdessen suchten wir uns im Wald ein ruhiges Plätzchen und streckten uns auf der Isomatte aus. Hügeliges, mit Gras bewachsenes Gelände machte das Weitergehen zu einem Genuss, bevor wieder ein kleiner Bergkamm überschritten wurde. Gut in der Zeit, haben wir das Albergo am Fugazzepass für unser heutiges Nachtquartier erkoren. Dort angekommen machen sich gerade 12 Wander/innen (geführte Gruppe) auf den Weg. Gerade noch kann mir einer meine Frage nach dem woher und wohin beantworten, dann sind sie verschwunden. "Rif. Lancia bis Rif. Campogrosso" war die Antwort. Diese Route ist klassisch in meinem Wanderführer so eingetragen. Nur wir halten uns scheinbar nicht an die Regel, noch dazu gehen wir in die verkehrte Richtung.

Albergo al Passo   –  Rif. Lancia         „der Irrsinn des Krieges“              

Gleich gegenüber des Albergos und der Passstraße beginnt der Aufstieg. Meine Neugierde wächst mit jedem Schritt den wir nach oben kommen. Von Kavernen, Tunnels, Schützengräben und so weiter erzählt unser Wanderführer, aber auch von der Schönheit der Bergwelt. Dann sind wir auf der "Strada delle Gallerie", die Versorgungsstraße der italienischen Wehrmacht. 6 km lang, mit 52 Tunnels, 800 Höhenmeter verbindend. Die Tunnels mussten gebaut werden, weil die Österreicher die alten Versorgungswege wie zum Beispiel Strada degli Scarubbi zerbommt hatten. Was für Ausblicke, was für Kontraste. Im Schutzhaus Rifugio Achille Papa, in sehr spektakulärer Lage, stärken wir uns für den Weiterweg. Mit Stirnlampe erst im Berginneren, dann auf schmalem Weg den Abgründen entlang außerhalb des Berges, erkunden wir das Unglaubliche. Logisch, dass wir hier nicht alleine sind, viele Menschen wandern um das Gebiet am Monte Pasubio. Diese Zeit mit ihrem Greuel und den menschenverachtenden Geschichten darf nicht vergessen werden. Zu weit scheinen wir schon gelaufen, das Rifugio Lancia ist in anderer Richtung. Aber wo genau geht es weiter? Mit der Karte in der Hand stehen wir da und grübeln. "Die fragst Du aber nicht nach dem Weg", meint Christa, als ich einer kleinen Gruppe junger Menschen entgegensehe. Brauch ich auch nicht, sie bieten von selber ihre Hilfe an. Ein Mädchen spricht ganz gut deutsch, ein junger Mann zückt sein Smartphon, gibt Rif. Lancia ein und guckt auf die erscheinende Karte und meint auf englisch; "da müsst ihr rüber, ca. 2 ½ bis 3 Stunden bis zum Refugio“. Da ist sie wieder, diese selbstlose Hilfsbereitschaft, die uns auf unseren Wanderungen immer wieder begegnet. Lange zieht sich die Militärstraße den Berg hoch, immer wieder sind in den Fels geschlagene Kavernen erkennbar, Friedhöfe mahnen. Schützen- und Laufgräben erinnern an vergangene Zeiten. Dann stehen wir auf dem Dente Italiano, versehen mit zahlreichen Granattrichtern. Gemischte Gefühle durchströmen mich, die Schönheit der Landschaft, die bedrückende Geschichte. Der Dente Austriaco ist ca. dreihundert Meter Luftlinie entfernt, 2 ½ Jahre standen sich hier Soldaten kämpfend gegenüber. Sommer wie Winter, bei Hitze und Kälte, bis zu 60.000 starben durch Lawinen. Mit Stacheldraht umwickelte Kreuze erinnern an Gefallene. Gegenseitig wurde versucht sich in die Luft zu sprengen.  Zitat: Am 13.März 1918 war es dann so weit: Die österreichisch-ungarischen Kaiserjäger waren etwas schneller als die italienischen Alpini und zündeten 55 Tonnen Dynamit an der Nordflanke des Dente Italiano. Sie stürtze in sich zusammen und begrub Hunderte von Soldaten bis zum heutigen Tag. Aber die Italienische Stellungen konnten trotzdem nie eingenommen werden. Über diesen Wirrwarr aus Gestein und Fels steigen wir hinüber zum Dente Austriaco mit österreichischer Fahne. Ein langer Panoramaweg führt uns auf einer Höhe zwischen 1900 und 2100 Metern  mit  abschließendem Abstieg zum Rifugio Lancia (1825). Vier deutsche Wander/innen sitzen mit am Tisch beim leckeren Abendbrot. Wie häufig üblich in Berghütten gibt es ein "Einheitsessen", sehr lecker und ausgiebig. Wen wunderts, die vier laufen auf dem E 5 Richtung Verona. Eine Bamberger Gruppe soll unterwegs sein, wird uns erzählt.

Rif. Lancia  –  Rif. Coe     „plastische Sprache“
              

Auf das gestrige Abendrot folgte eine klare Nacht, die jetzt um 8:30 noch keine warmen Temperaturen zulässt. Aber wir sind ja ausgerüstet. Es gefällt uns loszulaufen, wenn noch Nebel und Dunst aufsteigt, die Luft klar und rein ist. Ein stetes auf und ab, mit immer wieder wechselnden schönen Landschaftselementen hält uns bei Laune. Eine Frau kommt und will uns was sagen, als wir sie nur hilflos anschauen, wird ihre Sprache "plastischer". Sie sagt "aqua, aqua und mäh, mäh", wir glauben ver- standen zu haben. Und richtig, bei der Schafherde die bald kommt, ist eine Wasserstelle. Auf der Hochebene scheinen wir grenzenlos frei zu sein. Wiesen, Blumen, Sträucher und rund um uns herum Berge. Über uns blauer Himmel über den weiße Wolken ziehen. Hier schmeckt es noch mal so gut. Ein oranger Punkt entpuppt sich als Iglozelt, dass ein Schäfer aufgeschlagen hat. Hunderte von Schafen weiden hier oben, etwa ein Dutzend Esel begleiten uns ein Stück zur Wasserstelle, erreichen diese aber lange vor uns. Die Hirtenhunde könnte man wirklich mit Wölfen verwechseln, die Wanderin gestern hat uns nicht belogen. Auf dem Abstieg zum Borcolopass, bleibe ich plötzlich stehen. Da hat sich doch was vor mir bewegt. Der Weg ist von der Sonne beschienen. Ich schaue etwas genauer, wirklich, eine Schlange mit gezacktem Rücken hat sich hier gesonnt. Steil führt der Pfad hinab, eine kurze Seilsicherung bietet Schutz. Auf der anderen Seite des Passes, geht es ebenso steil wieder hinauf. Eine Bank zum hinsetzen wurde aber nicht gefunden. Nach einiger Zeit haben wir die Höhe von vorher überschritten und blicken staunend auf die Hochfläche mit den vielen Schafen hinüber. Wie weit man trotz gemächlichen Schrittes doch kommt. Auf schmalem Pfad wird der Monte Buso umrundet, immer wieder unter ausgesprengtem Felsen gehend. Der Blick ins Tal ist überwältigend. Das Gipfelkreuz könnte zum Monte Maggio gehören denke ich, wohl noch eine ½ Stunde bis dorthin. Wieder Schützen- und Laufgräben auf dem Gipfel des Berges, auch dieses Stück gehört zum Friedensweg, der die Front des ersten Weltkrieges kennzeichnet. Ein älterer Italiener sucht das Gespräch mit mir, etwas sehr wenig englisch, ein bisschen italienisch und deutsch. Wir verstehen uns trotzdem. Einige "Werke" und "Ex-Fort" gibt es in dieser Gegend, die Gesten mit "Schießen und Kriegsmaschinerie bauen" versteht wohl jeder. Der Abstieg ist gemächlicher als der Aufstieg, lange führt eine Militärstraße ins Tal. Skipisten und Lifte zeugen von Zivilisation und Vermarktung. Den E 5 hatten wir irgendwo verloren und so suchen wir den richtigen Weg. Die Autos fahren nach rechts oben, also müsste der Coepass rechts sein, ist meine logische Schlussfolgerung. Nach etwa einem km ist das Rifugio erreicht. Eine Menge Deutscher sitzen und reden im Speiseraum, als wir frisch geduscht eintreten. War da nicht etwas mit Bamberger Gruppe? Tatsächlich, sie sind von Bozen in nur 7 Tagen bis hierher gedüst, der Begriff düsen ist richtig. Ca. 35 km und das jeden Tag in den Bergen, das muss ich nicht haben. Die Gruppe ist verwundert, das wir von ihnen erfahren haben, sie hätten ihren Trip doch geheimgehalten. Tja, sagen wir, die Buschtrommeln funktionieren halt auch in den Bergen. Einer der Gruppe erzählt immer, "das Stück auf dem Adlerweg hat mir

besonders gut gefallen". Adlerweg? Der geht doch nicht bis nach Italien! Erklärung; er hat die schwarz abgebildete Taube – Markierung des Friedensweges – als Adler gesehen. Der Leiter dieser Gruppe – Alpenverein Bamberg – träumt vom Einzug in die Arena von Verona im nächsten Jahr. Dieses Jahr sei leider schon wieder Schluss.

Rif. Coe –     Carbonara/Lusern  „im Land der Zimbern „  
                  

Auch hier am Coepass beeinträchtigen Schneekanonen und Liftstationen die Landschaft. Das Gebiet haben wir aber schnell verlassen. Ein einsamer Pfad führt uns beschaulich durch hügeliges Gelände über Wiesen und durch Wälder. Eine Wanderin kam uns entgegen, bepackt mit Isomatte und wohl auch Zelt. Mehr als "guten Morgen" war aber nicht drin. Überwiegend absteigend wandern wir dahin zum Fort Verle, eines der 7 Festungen, dass vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurde, welches wir auch besichtigen. Einiges ist schon kaputt gebomt, trotzdem bekommt man einen guten Eindruck, was für ein Bollwerk dieses Fort einmal war. Meterdicke mit viel Eisen durchsetzte Betonmauern, schmale, dunkle, feuchte und bedrückende unter- irdische Gänge. Ganz gezielt angebrachte Stellungen mit Geschützen, die die Gegend zusammen mit weiteren Fort`s abriegelten. Gut beschrieben die Geschütze die hier zum Einsatz kamen. Natürlich ist auch die Lage strategisch gut gewählt. Später steigen wir weiter ab nach Carbonara. Ein Geschäft schließt gerade als wir eintreten wollen, dann gehen wir halt in ein nahes Cafe. Wir sind unschlüssig was wir weiter tun. In meinen beiden Wanderführern ist von einer Weiterfahrt mit dem Bus nach Lusern die Rede. Nicht unbedingt unser Ding. Doch hingehen? Der Blick in die Karte zeigt ein Wirrwarr an Straßen und Wegen. Zum Rifugio Monterovere weitergehen? Erscheint uns zu weit. Gleich bis Caldonazzo? Dann hätten wir auch knapp 35 Kilometer wie die Bamberger. Nein das wollen wir nicht. Ich frage den Wirt wann denn ein Bus nach Lusern gehen würde, ich hatte gehört, nur Früh und Abends. Die Antwort ist: 13:37 Uhr gleich da oben bei der Kirche. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit, die Entscheidung ist gefallen. Wir fahren doch mit dem Bus. Lusern ist eine der bekanntesten und am besten erhaltenen deutschen Sprachinseln der Zimbern in Oberitalien. Viele sprechen hier deutsch, in den Kriegen wurden viele Bewohner ausgesiedelt, bekamen bei der Rückkehr aber ihren Besitz zurück. Das Pilgerrifugio wäre noch etwa 5 km entfernt, wir aber wollen in diesem Dorf bleiben und quartieren uns privat ein. Bei der Suche nach dem morgigen Weiterweg sind wir – die eigentlich etwas relaxen wollten – 1 ½  Std. unterwegs. In der Info kaufe ich eine Karte, der Besitzer wird auf uns aufmerksam und fragt nach dem wohin und woher. "Wenn ihr schon soweit gegangen seit und aus Deutschland kommt, lade ich euch zu einer kostenlosen Besichtigung meines Museums ein". "Ich habe es erbaut, damit diese schlimme Zeit des Krieges nicht in Vergessenheit gerät", erzählt er uns. Wir nehmen an, eine halbe Std. haben wir noch Zeit bis zur Schließung. Beschrei- bung über das Geschehen, strategische Überlegungen, Mitteilungen über die Anzahl der Toten, Vermissten, Gefangenen, kurze Filme vom Kriegsgeschehen, Bekleidung der Soldaten, Kriegsmaterial usw. ist ausgestellt. Einen besonders erschütternden Eindruck hinterlies jedoch folgender Spruch: "Mit langsamen Schritten drehte ich meine Runde  und beobachtete den mit Sternen übersäten Himmel und unter ihnen sah ich auch jene die wir bei uns kennen; da sagte ich vor mich hin, oh ihr Sterne, ihr die meine Heimat sehen könnt, überbringt meiner Frau und meinen süßen Kindern einen Gruß des Trostes aus diesen fremden Ländern und sagt ihnen, dass ich hier stehe und euch ansehe während in der Luft das zischen der Kugeln zu hören ist". Aus dem Tagebuch eines an der Ostfront vermissten Trentiner Soldaten (Monument der Portèla, Trient)


Lusern  –  Levico Therme „ein Bett im Farn“    
                   
Gestern als wir aus dem Museum zu unserem Quartier gingen, wollte ich noch schnell einen Weg erkunden. Christa dagegen meinte, nein für heute reicht es, sie gehe aufs Zimmer. Eine halbe Stunde war ich unterwegs, dann muss ich mich beeilen, pechschwarz ist der Himmel geworden und Donner ist zu hören Aber halt der kleine Lebensmittelladen hat noch auf, ob Christa in auch entdeckt hat? Egal, Obst und Süßigkeiten gekauft. Natürlich ging Christa am Laden nicht vorbei, sondern dachte wie ich. Da kam einiges zusammen!! Ein Gewitter kühlte die schwüle Luft herunter und es hat saftig gerieselt. Direkt am Haus führt der E 5 weiter. Die Sonne lacht schon wieder vom Himmel, der Tag wird prächtig. Den breiten Weg den wir betreten, kennen wir von gestern, das gibt Sicherheit. Ein Mann kommt uns entgegen, wir grüßen auf italienisch. Am Tonfall erkennt er scheinbar unsere wahre Identität und verwickelt uns in ein Gespräch, das noch einige Zeit in uns nachwirken sollte. "Ich war schon einige Zeit in Deutschland, genauer in München und Passau mit meinem Vater. Ich kenne Bayern ganz gut, das ist sehr schön. Trotzdem zieht es mich aber immer wieder hierher. Diese Gegend, diese Leute hier, das ist meine Heimat. Trotz der Geschichte, oder gerade wegen ihr“, erzählt er uns. Weiter sagt er: „Ich schätze Leute wie Euch, die offen sind, sich für die Welt interessieren und bescheiden bleiben". So was aus dem Munde eines 70 jährigen Mannes irgendwo auf einem Fußweg in Italien zu hören, hat uns schon sehr erstaunt. Viele Schilder und Abzweigungen stiften etwas Verwirrung, wohin denn jetzt. Die Karte raus und nachgeschaut, hier oder da, vieles ist möglich. Das geht so an die zwei drei mal, dann entscheiden wir, auf einem alten Pfad mit noch älteren Holzschildern zum Rifugio Monterovere abzusteigen. Wir haben eine gute Wahl getroffen, wenn es vielleicht auch ein Umweg war. Von hier führen drei Wege nach Levico; der Kaiser-Jäger-Weg immer wieder auf Teerstraßen der schnellste, der Steig über die Val Scura Schlucht mit ausgesetzten Stellen und Drahtseilhilfe, oder der E 5 durch die Valle Pisciavacca, den wir schließlich wählen. Die Schlucht erscheint uns aufgrund des gestrigen Regens zu gefährlich. Erstmal Pause, aber wo? Die einzige Bank die wir sehen steht auf eingezäuntem Privatgrund, also weiter und einfach an einer schönen Stelle unsere Isomatten ausgerollt und sich gemütlich gemacht. Ein vorbeiziehender Münchner sieht uns erst gar nicht, so sind wir vom Farn und anderen Sträuchern eingebettet. Ein schnelles „gemütlich, gemütlich“ murmelt er und geht weiter. Wir  genießen noch einige Minuten. (Später sehen wir beim weitergehen eine kleine Kapelle mit Sitzplatz). Macht nichts denke ich, das daliegen war sicher entspannender. Bald kommen wir zu unangenehmen Schotterwegen, bloß nicht ins rutschen kommen. Der Wald wird lichter und gibt die Sicht frei, herrlich. Der Caldonazzo See und der Levico See leuchten im schönsten Blau. Dort unten pulsiert das Leben, hier fühlen wir uns entrückt von der Emsigkeit und Hektik der Täler, obwohl sie nicht weit weg sind. Unten angekommen laufen wir nach Gefühl weiter, wir haben wieder mal die Markierungen verloren. Dabei muss eine Schnellstraße überquert werden, vor uns wollen das auch zwei Radfahrer. Die Frau ist drüben, aber er, ein älterer Herr tut sich schwer und schon quietschen die Reifen. Puh, das war knapp. Es wird Zeit wieder einmal einen Obsttag einzulegen. So schlendern wir in das gemütliche kleine Kurstädtchen und genießen die entspannte Atmosphäre. Bei der Kirche spielt eine Band, trotz drohender Gewitterwolken bewegen sich viele Leute auf den Straßen. Levico Therme ist eine Partnerstadt von Hausham am Schliersee, verrät uns ein Schild. Ein weiteres Schild erzählt, dass Bonaparte hier mal geschlafen hat.



Levico Therme –  Rif. Serot          “schmerzlicher Abschied”  
                    

1000 Höhenmeter warten auf uns beim Aufstieg nach Vertiola Therme. Nach Teerstraßen wird später ein wunderbarer Waldweg daraus. Der Nebel und die mächtigen Laubbäume rund herum lassen uns den Tag nicht erkennen. Es ist dunkel, gespenstisch, die Stille trägt das ihre dazu bei. Oben beim Cappuccino hat uns die Wirklichkeit wieder eingeholt. Der Nebel kommt und verzieht sich, mal wird hier eine Bergspitze frei, mal dort. Ein Naturfilm läuft vor uns ab. Dann eine Entscheidung die mir nicht leicht fällt, der E 5 wird hier verlassen. Von der ausgezeichneten Beschilderung haben wir sehr profitiert, die wird uns fehlen. Wir wandern rechts Richtung Dolomiten, während der E 5 übers Fersental nach Bozen weiterführt. Besonders die Etappe über den Gronlait und Monte Frafort zum Rifugio Sette Selle, hätten mich inspiriert aber; a) für den heutigen Tag wäre es viel zu lang und b) sollte die Tour nur bei trockenem Wetter begangen werden. Auf zum Friedensweg, der ja bisher schon teilweise identisch mit dem E 5 war. Beschilderung dieses Weges entweder eine gelbe Taube, schwarze Taube oder das Kürzel von "Sentiero della Pace" SdP, nur zwei davon sollten wir heute sehen. Enttäuschend und ärgerlich, wenn Markierun- gen fehlen weil sie mutwillig kaputt gemacht wurden. Ein junger Mann kommt uns entgegen, spricht uns auf englisch an und fragt nach dem Weg. Er ist Deutscher und meint, er hätte sich mit seiner Freundin beim Aufstieg nach Vertiola Therme total verirrt, sie würde weiter unten auf ihn warten. Glück gehabt, wir kommen gerade von dort oben, er ist auf dem richtigen Weg. Bis zu der Stelle wo seine Freundin wartet, gehen wir gemeinsam bergab. Die beiden bedanken sich noch einmal recht herzlich, wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und weiter geht es. Immer der Teerstraße lang, mehr ab als auf, laufen wir dahin, die Sicht wird besser, die Sonnenstrahlen bleiben immer länger an uns hängen. Insgeheim hoffe ich weiter gehen zu können als zum Rifugio Serot, bis sich der Weg wieder zu einem steten auf und ab entwickelt. Um 16:30 bin ich dann doch froh das Rifugio zu erreichen und nicht weitergehen zu müssen. Eine wunderschöne Hütte, alt und neu passt super zusammen. Die drei Mädels und der junge Mann die es bewirtschaften machen einen guten Job. Nett, hilfsbereit und gute Küche. Wir gehen noch mal raus und ich mache Bilder vom Monte Frafort und dem Gronlait, sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Christa beruhigt mich; den E 5 gehen wir schon noch mal....

Rif. Serot   –  Rif. Ruscoletta    “Liegestuhl und Schlafsack”                     


Es regnet als wir aufstehen. Komischerweise beruhigt mich das, zumindest im Hinblick meiner Wunschetappe (hätte, wäre, aber). Eine willkommenen Abkürzung durch einen wunderschönen rein gewaschenen Zauberwald und ein übergroßes Christuskreuz aus einem kaputten Baum geschnitzt, lässt die Teerstraße vergessen, auf die wir leider, viel zu schnell wieder zurückkommen. Campestrini, dort soll ein Rifugio sein, ich habe Hunger und träume von Debrezinern und Sauerkraut – wohl wissend - das gibt es hier bestimmt nicht. Bei einer Bank ziehen wir uns um, Brotzeit machen wir noch nicht, wir wollen ja ins Refugio. Ein komisches Dorf mit verworrener Wegführung. Erst finden wir die Hütte nicht und dann als wir sie gefunden haben, verschmähen wir sie. Also steigen wir mit leerem Magen den immer steiler werdenden Berg hoch. Und meckern etwas später, dass außer Waldboden nichts kommt zum hinsetzen. Kaum gemeckert, schon kommt eine Lichtung mit Sonne, na also geht doch, raus mit den Isomatten und unseren Hunger gestillt. Wieder mal keine Menschenseele weit und breit. Taktische Überlegungen lassen uns heute im Rifugio Ruscoletta übernachten. Manche Wegstrecken von Hütte zu Hütte sind sehr weit und gehören gut geplant. Nette Leute, die Seniorin

spricht etwas deutsch, später kommt auch der Wirt zum Plausch, er hatte früher in der Schweiz gearbeitet. Den späten Nachmittag nützen wir faul auf der Terrasse, eingemummt in unsere Schlafsäcke im Liegestuhl. Daneben Cappuccino auf dem Tisch. Haben wir ein Leben....

Rif. Rusoletta - Rif. Carlettini      „Komfort  gegen Gemütlichkeit?“    

                 
Einen Abschied per Handschlag erleben wir nicht alle Tage, diese Herzlichkeit wärmt. Das können wir heute brauchen, viele Wolken lassen nur wenig Sonne durch, im Schatten ist es saukalt. Die heutige Etappe ist unspektakulär, muss es auch nicht immer sein. Wie schon die letzten Tage treffen wir auf keine Menschen. Wir freuen uns an der Natur und dem Wasser, das in vielen Kaskaden neben uns herunterplätschert. Das 2006 noch geschlossenen Rifugio Carlettini ist komplett neu erbaut und dementsprechend groß und modern, mit ausgezeichneten sanitären Anlagen. Ob dadurch Flair und Gemütlichkeit verlorenging, wie es bei manchen Berghütten der Fall ist, wissen wir nicht. Erholung gehört dazu, der Akku wird wieder aufgetankt, morgen steht eine 8 Stunden Tour an.

Rif. Carlettini - Caoria           „Wasser für die Blumen“                    

Noch etwas unsicher wo eine Übernachtung heute Abend möglich ist, bitte ich die Wirtin nachzufragen, ob in Caoria eine diesbezügliche Möglichkeit besteht. "Ja" ist ihre Antwort und ich bin froh, das macht die weitere Planung leichter. Obwohl der Weg im Wald verläuft, ziehen wir nach einem halben Kilometer die Regenkleidung an und schützen unseren Rucksack, es regnet doch mehr als angenommen. Bänke und Tische stehen hier, auf einem ein Glas mit Blumen, Christa macht ein Bild davon, es ist ihr eigenes Geburtstagsgeschenk. Asphaltsträßchen wechseln sich mit Abkürzungspfaden ab, bis uns ein Wegweiser steil nach oben leitet. Serpentinen über Serpentinen. Der Wald lichtet sich, beim Blick zurück liegt der Nebel unter uns. Nach den Almwiesen auf denen uns mehrere Esel begrüßen, steht die Malga Conseria. Hier hätten wir auch übernachten können, zeigt ein Schild am Eingang an. Große Eisenkreuze auf steinernen Sockeln stehen neben dem Weg welcher hochführt zum Passo Cinque Croci. Oben erkenne ich zwei Radler die bald darauf winkend abfahren. Schließlich sind auch wir bei dem auffälligen Kreuz, welches sagen will, dass sich hier fünf Gemeinden treffen. Der Blick rundherum ist überwältigend, es ist warm und klar geworden. Die Palaberge tun sich vor uns auf und rechts von uns erhebt sich ein Bollwerk von Gipfeln; Cima Orsera, Cima Quarazza, Cimon Rava, Cima Segura und mit 2847 Meter der Cima d `Asta als höchster im Bunde. Mein Herz lacht, ich bin glücklich, ein wunderbarer Höhenweg hier oben. Leider laufen wir die Forststraße weiter und trauen uns nicht den Pfad linker Hand zu nehmen. Der hätte auch zum Rifugio Refavaie geführt und wäre bestimmt nicht so langweilig gewesen. So ist es, erst himmelhochjauchzend, dann zu Tode betrübt – na ja, so schlimm war es auch nicht! Ein Cappuccino, dann auf Asphalt weiter nach Caoria, eine kleine verschlafene Stadt. Am Rand steht ein Brunnen, in der Nähe ein Albergo. Gibt es hier auch einen Laden? Ich erkundige mich, aber ohne Rucksack. Gibt es und somit Obst zum Abendessen. Christa erzählt mir; „während Du weg warst, kam eine alte Frau zu mir, sie hatte mich von ihrem Liegestuhl aus schon immer beobachtet. Mit zwei Eimern in der Hand und dem Vorwand Wasser für die Blumen zu holen. Erst auf Italienisch, dann in Englisch wollte sie in

Wirklichkeit aber nur wissen, was ich hier so treibe. Zwei Rucksäcke sind schließlich sehr verdächtig. Als ihr Wissensdurst gestillt war, ging sie ohne Wasser wieder zurück".


 
 
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